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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar
Autoren: Minette Walters
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hast.«
    »Meinetwegen.« Sie streckte ihren Arm zum Wandtelefon aus, konnte es aber von der Tür aus nicht erreichen. Warum hatte Amy ihr nicht erzählt, dass sie immer zu Patsy ging? War das ihre Zuflucht?... »Aber dein Vater wird nicht mit mir böse sein, sondern mit dir, Kimberley. Nachdem deine Mutter abgehauen war, hat er sich so verdammt einsam gefühlt, dass er sich auch ein zahnloses altes Weib ins Bett geholt hätte. Was meinst du wohl, zu wem er hält, wenn du versuchst, mich rauszudrängen?«
    »Zu mir und Barry, wenn ich ihm sag, dass du ihn nur ausnutzt.«
    »Mach dich nicht lächerlich«, sagte Laura müde. »Er ist ein Mann. Es ist ihm schnurz egal, warum ich mit ihm schlafe, Hauptsache, ich hör nicht auf damit.«
    »Das hättst du wohl gern!«, rief Kimberley höhnisch.
    »Wie viele andere Frauen waren hier, Kimberley?«
    »Massenweise«, versetzte sie triumphierend. »Du bist nur deshalb bei uns geblieben, weil du ihn an die Wäsche gelassen hast.«
    »Und wie viele von den Frauen sind wiedergekommen?«
    »Ist mir doch scheißegal. Ich weiß nur, dass du wiedergekommen bist.«
    »Einzig und allein, weil ich in einer ausweglosen Situation war. Sonst hätten mich keine zehn Pferde hierher lotsen können.« Sie lauschte einen Moment lang dem schweren Atem des Mädchens. »Glaubst du wirklich, dein Vater weiß das nicht?«
    Danach blieb es eine Weile still. »Kann schon sein. Trotzdem hätt er sich nicht mit einer Schlampe einlassen brauchen«, entgegnete Kimberley aggressiv. »Ich mein, er hat Barry und mich überhaupt nicht gefragt. Man kann ja nicht mal mit ihm reden, weil du einem dauernd in die Quere kommst. Entweder laberst du von deiner Arbeit oder Amy muss sich mit ihrer blöden Tanzerei aufspielen.«
    »Draußen, in der Küche vielleicht – nie im Wohnzimmer. Ihr habt mir klar zu verstehen gegeben, dass ich dort nichts zu suchen habe.«
    »Genau!« Laura hörte ein Geräusch, das wie unterdrücktes Schluchzen klang. »Und Dad hast du wahrscheinlich klargemacht, dass er dort auch nichts zu suchen hat.«
    »Das brauchte ich gar nicht. Das habt ihr selbst ihm deutlich genug zu spüren gegeben.«
    »Wieso?«
    »Das fragst du noch? Es fällt euch nicht ein, den Fernseher leise zu stellen oder euren Vater zu begrüßen, wenn er nach Hause kommt. Ihr lehnt es ab, mit uns zu essen. Ihr steht morgens immer erst auf, wenn er schon zur Arbeit gegangen ist...« Sie hielt inne. »Das Leben ist keine Einbahnstraße, falls du das noch nicht wissen solltest.«
    »Was soll das jetzt wieder heißen?«
    »Überleg mal, vielleicht kommst du dahinter.« Laura machte Fingerübungen, um die Muskeln zu entspannen. »Ich geb dir einen Tipp. Warum hat wohl eure Mutter keinen von euch beiden mitgenommen?«
    Kimberley geriet von neuem in Wut. »Ich hasse dich!«, schrie sie. »Ich wollte, du würdest einfach abhauen und uns in Ruhe lassen. Dad wär dann zwar sauer, aber Barry und ich wären saufroh.«
    Wie wahr, dachte Laura seufzend. Und wenn Amy nicht vorgegeben hätte, sie fühlte sich wohl hier, wären sie längst fort.
Mach dir deswegen keinen Kopf, Mami – ehrlich, hier ist alles ganz okay, wenn du und Greg nicht da seid...
Laura hatte ihr geglaubt, weil es das Einfachste war. Jetzt verwünschte sie ihre Dummheit. »Warum geht Amy zu Patsy?« fragte sie.
    »Weil's ihr Spaß macht.«
    »Das ist keine Antwort, Kimberley. Was Amy Spaß macht, ist nicht unbedingt gut für sie.«
    »Es ist
ihr
Leben«, versetzte Kimberley trotzig. »Sie kann tun, was sie will.«
    »Sie ist zehn Jahre alt und lutscht abends im Bett noch am Daumen. Sie soll allein über ihr Leben bestimmen, wo sie sich noch nicht mal entscheiden kann, ob sie zum Abendessen Fischstäbchen oder Würstchen haben will?«
    »Okay, aber das heißt doch noch lange nicht, dass sie immer nur das tun muss, was
du
sagst... Sie hat nicht drum gebeten, geboren zu werden... Sie ist nicht dein beschissenes Eigentum.«
    »Habe ich das jemals behauptet?«
    »Du benimmst dich so! Du kommandierst sie rum, verbietest ihr wegzugehen –«
    »
Allein
wegzugehen«, fiel Laura ihr ins Wort. »Ich habe ihr nie verboten, mit dir und Barry wegzugehen, wenn ihr zusammenbleibt.« Sie ballte zornig die Hände zu Fäusten. »Ich habe es euch doch weiß Gott oft genug erklärt – ich möchte nicht, dass ihr etwas passiert. Amy lebt noch keine zwei Monate hier. Es fällt ihr immer noch schwer, sich die Adresse und die Telefonnummer zu merken. Wie soll sie zurückfinden, wenn sie sich
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