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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar
Autoren: Minette Walters
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verläuft?«
    »Auf dem Weg zu Patsy kann sie sich gar nicht verlaufen«, entgegnete Kimberley verächtlich. »Die wohnt ganze fünf Häuser weiter.«
    »Sie sollte gar nicht dort sein.«
    »Ach, sie ist eine Heulsuse«, schimpfte Kimberly mürrisch. »Das geht einem nach ner Weile wahnsinnig auf den Geist. Irgendwas ist mit der doch nicht in Ordnung. Dauernd hockt sie in der Toilette und jammert, dass sie Bauchweh hat.«
    Mit einem Ruck riss Laura die Tür auf, und Kimberley sprang unwillkürlich zurück. »Dann will ich mein Geld zurück, Kimberley. Es fällt mir nämlich nicht im Traum ein, dich für etwas zu bezahlen, was du gar nicht geleistet hast.« Sie sah auf ihre Uhr. »Ich gebe dir genau fünf Minuten, um Amy hierher zu holen. Danach hast du noch mal fünf Minuten, um die fünfzig Pfund wieder herzubringen, die du mir für zwei Wochen Babysitting abgeknöpft hast, ohne auch nur einen Finger gerührt zu haben.«
    Kimberley sah den Ausdruck in Lauras Augen und trat noch einen Schritt zurück, näher zu ihrem Bruder, der von der offenen Wohnzimmertür aus die Szene beobachtete. »Die hab ich ausgegeben.«
    »Dann gehen wir jetzt zum nächsten Geldautomaten, und du hebst sie von deinem Sparkonto ab.«
    »Ach ja? Und wenn ich da nicht mitmach?«
    Laura antwortete mit einem Achselzucken. »Dann schnüren wir unser Ränzel und warten, bis euer Vater nach Hause kommt.«
    Kimberley, die offensichtlich nicht verstand, was sie sagte, sah sie einen Moment lang mit offenem Mund an und fragte dann dümmlich: »Was heißt das, ihr schnürt euer Ränzel?«
    »Wie wär's mit Kofferpacken«, versetzte Laura sarkastisch. »Du weißt schon, das, was man tut, wenn man eine längere Reise vorhat.«
    »Ach so!« Kimberleys Augen leuchteten auf. »Heißt das, dass ihr abhaut?«
    »Sobald ich mein Geld habe.«
    Kimberley wandte sich fingerschnalzend ihrem Bruder zu. »Wo sind die fünfzig Eier, die Dad dir fürs Essen gegeben hat?« fragte sie herrisch. »Ich weiß, dass du sie noch hast, also gib sie her.«
    Barry warf einen ängstlichen Blick zu Laura. »Nein.«
    Kimberley schlug wütend nach ihm. »Muss ich dir vielleicht erst deinen beschissenen Arm brechen?«
    Er sprang mit geballten Fäusten in den Korridor hinaus, um sich zu verteidigen. »Ich will nicht, dass sie abhaut – jedenfalls nicht bevor Dad heimkommt. Ich kann schließlich nichts dafür, und ich hab keinen Bock, mich dafür bestrafen zu lassen. Dad ist total ausgerastet, als Mum abgehauen ist – und du hast's nur noch schlimmer gemacht, als du gesagt hast, du wärst froh, dass sie weg ist. Du bist so bescheuert, du machst es jetzt wahrscheinlich wieder genauso – und ich könnte Dad verstehen, wenn er auf dich losgehen würde –, aber auf mich geht er dann genauso los, und das ist einfach ungerecht.« Dieser sonst so wortkarge Junge redete plötzlich wie ein Wasserfall. »Ich hab dir immer gesagt, du sollst richtig auf Amy aufpassen, aber das hat dich überhaupt nicht interessiert, weil du stinkfaul bist und jeden nur rumkommandieren kannst. Hey, Amy, mach mal hier, mach mal da, leck mich gefälligst mal am Arsch... aber wehe du verpfeifst mich bei deiner Mutter, dann mach ich dich zur Schnecke. Mensch, die Kleine hat eine Heidenangst vor dir. Okay, sie ist eine ziemliche Nervensäge, aber so wie du dich aufführst, ist es kein Wunder, dass sie dauernd geheult hat. Weißt du, was dein Problem ist? Keiner mag dich. Du solltest mal versuchen, ein bisschen netter zu sein... dann hättst du vielleicht ein paar Freunde und würdest alles ein bisschen anders sehen.«
    »Halt die Klappe, du Idiot.«
    Er schlich vorsichtig durch den Korridor. »Ich schau jetzt, ob ich Amy finde«, sagte er und öffnete die Haustür. »Und hoffentlich treff ich Dad auf der Straße, damit ich ihm sagen kann, dass das alles nur deine Schuld ist.«
    »Arschloch!«, schrie Kimberley ihm nach und trat mit einem Fuß heftig gegen die Wand. »Du schleimiger Feigling!« Sie wandte Laura ihr wutverzerrtes, rotes Gesicht zu und krümmte die Schultern wie ein Boxer. Aber sie hatte Tränen in den Augen. Vielleicht wusste sie, dass sie soeben den einzigen Menschen verloren hatte, der je treu zu ihr gehalten hatte.
>Meldung an alle Polizeidienststellen
    >27. 07. 01
    >18 Uhr 53
    >SOFORTIGE MAßNAHMEN
    >Vermisste Person
    >Laura Biddulph/Rogerson, wohnhaft Allenby Road 14, Portisfield, hat ihre zehnjährige Tochter vermisst gemeldet
    >Name des Kindes: Amy Rogerson (hört auf den Namen:
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