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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag
Autoren: Mary Higgins Clark
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den
porzellanblauen Augen kontrastierte, der schlanke,
muskulöse Körper, den Sporthemd, grüne Leinenjacke und
weiße Hose voll zur Geltung brachten, mit einem Wort:
der Charme in Person. Er beabsichtige, eine alte Villa in
Barnstable zu kaufen und sie zu einem Lokal umzubauen,
erzählte er ihr; die notwendigen Investitionen seien auch
schon abgesichert. «Tolle Lage. Könnte ein Volltreffer
werden. Vielleicht lade ich Sie nächstes Jahr um diese Zeit
dorthin ein und lasse Ihnen ein Essen servieren, wie Sie es
nirgends auf Cape Cod finden.»
Er erkundigte sich nach ihren Plänen. «Ich möchte das
College abschließen, Stuart hat mein Studium bezahlt.
Dazu ist er ja nicht verpflichtet. Ich glaube, er war so
großzügig zu mir, weil er immer noch hoffte, meine
Mutter zurückzugewinnen, und das geht ja nun nicht mehr.
Stuart tut nichts ohne Gegenleistung. Haben Sie seine
Bemerkung über Geld und sein Testament mitgekriegt?»
Ned nickte. «Ja. Viel Glück.»
Cynthia erinnerte sich, wie sie lachend festgestellt hatte,
daß sie das Kap auf dieser Seite überhaupt nicht kannte.
Vom Captain’s Table waren sie vierzig Minuten zu einem
privaten Anlegeplatz in der Gegend von Cotuit gefahren,
eine einsame Stelle hinter einem offenbar unbewohnten
Haus.
Ned wies auf das 6,5 Meter lange Motorboot und
bemerkte: «In zwei Jahren lade ich Sie zu einem Ausflug
auf meine Jacht ein.» Er steuerte so weit hinaus in die
Bucht, daß die Küstenlinie kaum noch zu erkennen war.
Eine dunkle, bewölkte Nacht mit frischer Brise und
Salzgeruch. Weit und breit kein Boot zu erblicken. Ned
warf den Anker aus. «Höchste Zeit für einen Umtrunk.»
In den endlosen Stunden ihrer Haft dachte Cynthia
immer wieder über diese Nacht nach. Ned, wie er die
Champagnerflasche öffnete, ihr gegenübersaß, lächelnd,
ihr Glas nachfüllte, sich mit ihr einig war über die
Faszination, die Cape Cod auf jeden ausübte. «Es hat mir
unheimlich gefehlt», hatte sie ihm gestanden. Zum
erstenmal seit dem Tod ihrer Mutter fühlte sie sich
unbeschwert, erzählte ihm von ihren beruflichen Plänen,
daß sie Gebrauchsgraphikerin werden wollte. Er stellte
intelligente Fragen. Wo sie sich zu bewerben gedenke?
Wahrscheinlich in New York, antwortete sie, es gab ja
jetzt keine familiären Bindungen mehr in Boston.
Er erkundigte sich nach ihrem Verhältnis zu Stuart. Zum
Zeitpunkt der Scheidung habe sie ihn regelrecht gehaßt,
erwiderte sie.
«Ich war doch erst zwölf. Ich erkannte genau, wie sehr
meine Mutter ihn liebte, aber sie konnte eben nicht mit
ihm leben. Wenn Sie ihn gut kennen, haben Sie vermutlich
auch seine Stimmungsumschwünge mitgekriegt. Er konnte
furchtbar despotisch sein. Bei der kleinsten Unordnung
bekam er einen Tobsuchtsanfall, brüllte meine Mutter an
und warf ihr vor, sie könne eben nicht richtig mit dem
Personal umgehen. Sie war wirklich bildschön, aber
sobald sie zu einem wichtigen Dinner gingen, erklärte er
ihr jedesmal kurz davor, ihm gefalle ihr Kleid nicht. Und
so wurde aus einer glücklichen Frau voller Selbstvertrauen
ein Nervenbündel, das schon zu zittern anfing, wenn eine
Tür zuknallte. Komischerweise war er zu mir immer sehr
freundlich. Er wollte mich sogar adoptieren. Das hat sie
nicht zugelassen.»
«Haben Sie ihn in den vergangenen sieben Jahren oft
gesehen?» wollte Ned wissen.
«Nicht oft. Er wohnte den Winter über in New York und
war viel auf Reisen. Aber er kam zwei- bis dreimal im
Jahr vorbei und holte mich zum Essen ab. Am Telefon
sagte er immer: ‹Richte bitte deiner Mutter aus, wenn sie
uns begleiten möchte, würde ich mich sehr freuen.› Das tat
sie nie, und ich frage mich manchmal, ob Stuart wirklich
daran lag, mich zu sehen, oder ob er nur etwas über sie
erfahren wollte. Andererseits war er der einzige, den ich je
als Vater erlebt habe, deshalb freute ich mich auf unser
Zusammensein, und zugleich tat er mir irgendwie leid.
Ganz schön verrückt, oder?»
Dann hatte sie gesagt: «Es ist schon reichlich spät,
allmählich wird’s Zeit für die Rückfahrt.» Doch als Ned
zu starten versuchte, sprang der Motor nicht an. «Und das
verdammte Funkgerät ist nicht angeschlossen», murrte er.
«Kein Grund zur Aufregung. Ich krieg’ das schon
irgendwie hin.»
Es war kurz vor elf, als der Motor endlich lostuckerte.
Cynthia hatte inzwischen einen Mordshunger. Deshalb
fragte sie nach dem Anlegen, ob er nicht unterwegs kurz
halten und einen Hamburger holen
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