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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt
Autoren: dtv
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die beiden in Sachen Dresscode in unserer Liga – ein wenig albern, aber noch zu ertragen. Sie
     war eine weißblonde, kurzhaarige Amazone in unserem Alter, Typ Fitness-Else mit Cosmopolitan-Abo.Um die vierzig schätzte ich. Er schien ein wenig jünger zu sein. So ein breitschultriger Typ Marke Seewolf, der Kartoffelquetscher.
     Blondes, wallendes Haar, definierte Bauchpartie, mächtige, gebräunte Oberschenkel. Ich war ein wenig irritiert – irgendwas
     fehlte diesem Mann, um als St.-Pauli-Türsteher Karriere zu machen. Dann fiel es mir auf: Auf seinem ganzen prächtigen Körper
     prangte kein einziges Tattoo. Das war in der Tat mal originell. Als er uns freundlich begrüßte und wir ins Gespräch kamen,
     verwarf ich das mit dem Rummel auf St. Pauli schnell wieder. Den Herrn hatte ich unterschätzt.
    »Wir sind Hanne und Tobias«, hatte er uns angesprochen, nachdem Annie und ich nun schon eine halbe Stunde schweigend Salzstangen
     zermalmten, »dürfen wir euch mal die Räumlichkeiten zeigen, ihr seid doch neu hier, oder?«
    Es stellte sich raus, dass Tobias ein sympathischer, witziger Typ war, der die Führung durch die »Sonnenlust« mit viel Humor
     über die Bühne brachte. Das war gar nicht so einfach: Wie kommentiert man eine »Liegewiese« für acht Personen, auf der sich
     gerade zwei Paare tummelten, die zusammen etwa 250   Jahre alt waren. (Im ersten Moment dachte ich, hier hätten sich ein paar Riesenechsen reingeschlichen   …)
    Tobias zeigte uns im Haus diverse Séparées und Matratzenlager, er erklärte uns, wo Handtücher gefunden und wohin Kondome entsorgt
     wurden – nur für den Fall   … Es gab eine kleine Sauna und eine Art Vorgarten, wo man wohl zur Freude der gutbürgerlichen Nachbarn auf Liegen relaxen
     und sich vom Hitzebad erfrischen konnte. Schließlich führte uns Tobias noch in den Keller.
    »Wisst ihr, wozu das gut ist?«, fragte er und zeigte auf ein schwarzes Gestänge in einer Art Verlies. Es sah aus, als ob es
     aus dem Fundus eines Zombiefilms stammte. Ich schüttelte verstört den Kopf.
    »Kann man für Fesselspiele benutzen«, erklärte Tobias, »ist ein sogenanntes Andreaskreuz. In der S M-Szene ein großes Ding, sozusagen der Marterpfahl, um den sie alle tanzen.«
    »Ist diese Gerätschaft denn in der ›Sonnenlust‹ sonderlich beliebt?«
    Tobias grinste.
    »Das sieht man den Leutchen gar nicht an, was? Unterschätzt mal unsere braven Swinger hier drin nicht. Du denkst, du hockst
     mit Opa Kabuffke am Skattisch und eine Stunde später siehst du den Knaben beim
Gang Bang
mit der scharfen Lotte.«
    Annie und ich lachen laut auf, aber irgendwie war mir bei dem Gedanken nicht ganz wohl.
    »Also beim Gang Bang werden wir ihn sicher nicht treffen«, antwortete ich Tobias, um mal so etwas wie eine Positionsmarkierung
     loszuwerden. Das schien mir langsam der richtige Moment dafür zu sein. Eigentlich hatten Annie und ich verabredet, beim ersten
     Mal in der »Sonnenlust« nur »zu gucken«. Eine Hintertür ließen wir allerdings angelehnt: Falls sich ein netter Kontakt ergeben
     sollte und wir ein Paar trafen, das uns gefiel, dann wäre auch ein bisschen Gefummel nicht ausgeschlossen. Für sehr wahrscheinlich
     hielten wir diese Möglichkeit allerdings nicht.
    ***
    Ohne den Geruch der Königsberger Klopse hätte Annie meinen harmlosen Check von Hannes Brüsten wohl kaum missverstanden und
     sich vermutlich nicht darauf eingelassen, mit Tobias im »Safari Salon« unter einem Bild von Robert Redford zu vögeln. Diese
     verdammten Königsberger Klopse. Elsbeth hatte sie in einem dampfenden Kessel zum Buffet geschleppt. Von dort müffelten schon
     seit Stunden Nudelsalate,Käsepicker und Frikadellen in den Raum hinein. Kulinarisch war die »Sonnenlust« den Fünfzigern verpflichtet. Wenn das in diesem
     Tempo weiterging, würde man Pizza hier erst in zehn Jahren servieren. Die Königsberger Klopse mit ihren scharfen Kapern gaben
     der Duftnote in der Bar den Rest. Tobias schlug vor, uns in den »Safari Salon« zu verkrümeln.
    »Der ist gemütlich und soviel ich weiß, wird er nicht als olfaktorische Folterkammer missbraucht.« Es hatte sich rausgestellt,
     dass Tobias tatsächlich nicht als St.-Pauli-Türsteher arbeitete. Der gemeißelte Körper war sein Privatvergnügen, Geld verdiente
     der Mann mit seiner Birne. Offenbar kannte sich Tobias – ein Oxford-Absolvent und Ruderer – auf dem Finanzsektor gut aus und
     beriet Unternehmen in ganz Europa. Es war nicht so, dass er
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