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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot
Autoren: Thomas Raab
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gibt.
    Behutsam nimmt sie das Kissen weg, legt den Kopf von ihrem Schoß und beobachtet, wie der Atem wieder ruhiger wird und sich in ein Schnarchen verwandelt, das dann schließlich die ganze Nacht anhält. Kein Auge macht sie zu. Gegen sechs Uhr morgens zieht sie zuerst sich und dann ihren Gast splitternackt aus, um ihn zu wecken, was sich als langwierige Prozedur herausstellt. Um nichts in der Welt ist der schwerfällige Restaurator aus der Waagrechten zu bringen. Schließlich stößt sie ihn heftig vom Sofa und greift zum garantierten Muntermacher.

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    Pitschnass vom eiskalten Wasser erwacht der Metzger und friert. Auf ihm hockt eine völlig entblößte Frau und küsst ihn auf die Wangen.
    „Na, du hast geschlafen wie ein Walross!“
    Und wieder ein Du, intimer kann es allerdings diesmal nicht sein.
    „Was ist passiert?“, fragt der Metzger mit dröhnendem Kopf, bereit, jederzeit sofort wieder einzuschlafen.
    „Das weißt du nicht mehr, was für ein Kompliment! Ich hab dir, so wie du wolltest, gezeigt, was ich mit Kwabena Owuso gemacht hab!“
    Der Metzger wird rot über beide Ohren, wobei er sich da noch etwas von der Röte hätte aufheben sollen, denn noch ist ihm nicht aufgefallen, in welchem Pyjama er hier übernachtet hat.
    Erst als sich die Prostituierte über ihn beugt und der Willibald ihre üppigen Brüste in einer unverwechselbaren Direktheit auf seiner Haut spürt, durchfährt es ihn wie ein Stromschlag. Blitzartig dreht er sich zur Seite, springt auf, stützt sich am Tisch, was sich als hilfreich erweist, wenn einem schwarz vor den Augen wird, reißt wieder halbwegs gefestigt den Seidenüberwurf vom Sofa weg, wickelt ihn um sich und stürmt, von der abrupten Kreislauferschütterung und der Menge Alkohol, die der Körper zu verkraften hat, würgend auf die Toilette. Wobei die viel stärkere Übelkeit aus den Tiefen seiner Seele herrührt, der nun schlagartig klar wird, was der schwache Leib offenbar die letzten Stunden über sich ergehen, ja sogar zugelassen hat. Das Schlimmste daran ist das Fehlen jeglicher Erinnerung. Nur, was braucht er eine Erinnerung, wenn alles eindeutig für diese Schandtat spricht? Wie soll er jemals wieder seiner Danjela, seinem eigenen Spiegelbild vor die Augen treten?
    „Ich kann dich beruhigen“, hört er über die Muschel gebeugt die Stimme der Verführung, „so geht es allen beim ersten Mal! Ihr kommt als Engel und geht als Teufel. Mach dir keine Sorgen. Das vergeht, und mit der Zeit bleibt nur mehr der Teufel übrig und hat seinen Spaß. Du kannst jederzeit wieder kommen, das sollst du wissen. Vor mir brauchst du dich nicht rechtfertigen! Ich lass dich jetzt allein, dann ist das mit dem Gehen für dich nicht so unangenehm. Mach’s gut! Übrigens, das war auch für mich eine schöne Nacht!“
    Der Metzger traut seinen Ohren nicht, am liebsten würde er schreien, um zu erwachen, wenn das mit dem Erwachen nicht schon erledigt wäre. „Ich leb in einem Albtraum“, denkt er, und während dem Häuferl Elend auf dem Klo zum Weinen ist, verlässt lächelnd und aufrecht die Dame mit dem Künstlernamen Dominique Nemesis ihr Zimmer und beschließt, heute noch für einen Unfall zu sorgen.

    Der Metzger zieht wie ein gehetztes Wild seine Kleidung an, der Hochzeitsanzug schmerzt an seiner Brust und flüstert mit der Stimme seines Vater: Du bist auch nur ein Mann. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Ja, verurteilt hat er seinen Erzeuger, und jetzt windet er sich verbrüdert im väterlichen Kleid. Wie er gedankenverloren auf den Ausgang der Villa zusteuert, ruft ihm eine neue Dame am Empfang hinterher:
    „Sind Sie Herr Metzger aus dem Rosenzimmer?“
    „Ja!“, gibt der Willibald kurz von sich.
    Dezent versorgt sie ihn mit dem Hinweis:
    „Bezahlen können Sie bei mir!“
    Dann ist der Willibald froh über die bereits erfolgte Magenentleerung. Die Summe ist von solch gewaltiger Höhe, dass sich die neue Dame am Empfang in Gegenwart des völlig erblassten Kunden zu einer Erklärung genötigt fühlt:
    „Naja, Sie waren ja immerhin die ganze Nacht im Rosenzimmer, unserer teuersten Luxussuite, inklusive einer Flasche Champagner, einmal Frankfurter mit Kren und Gebäck und einer Bouteille Rotwein. Sie können natürlich mit Kreditkarte zahlen!“
    Wie sonst, denkt sich der Metzger.
    Ab nun wird also dank dieser Kreditkartenabrechnung auch ganz offiziell der Besuch in der Villa Orchidee untrennbar mit dem Leben des Willibald Adrian Metzger verbunden bleiben. Und wer
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