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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis
Autoren: Thomas Raab
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Nichts mit einem Mal nach ganz schön viel aussehen kann, direkt nach Mitmensch.
    »Ich muss mit ihm reden«, beschließt der Metzger also, da liegt Lilli bereits wohlbehalten und aufbruchbereit inmitten des Gewölbekellers in den Armen ihrer Mutter. Glühend rot sind die weiblichen Backen, bei der einen war es die frische Luft, bei der anderen die Pilates-Stunde und der Anblick des knackigen dunkelhäutigen Vorturners in seiner hautengen Adjustierung. Nur wegen des Fettabbaus allein ist es eben verdammt schwer mit der Regelmäßigkeit.
    Und weil der Willibald dem durchaus schön anzusehenden Erholungszustand der beiden Damen kein abruptes Ende setzen will, erspart er Trixi Matuschek-Pospischill den tatsächlichen Reisebericht und schickt ihr nur ein: »So brav war sie, unsre kleine Prinzessin« hinterher.
    Auch bei Danjela Djurkovic, die adjustiert mit blauem Mantel und Wischmopp gerade ihre Fitnesseinheit im Stiegenaufgang eines humanistischen Gymnasiums absolviert, wird telefonisch jeder Grund für zusätzliche Nervenstrapazen vermieden.
    »Ist wieder gut zurück in Werkstatt, Lillimaus?«, lautet der Inhalt ihres Kontrollanrufs, entsprechend besänftigend fällt die Antwort aus:
    »Du, ich bin wegen der vielen Arbeit heut einfach früher zurück. Lilli wollte noch ein wenig schaukeln und kommt dann nach!«
    »Brauchst du mich nix verschaukeln, weil gibt sonst zu Hause wirklich viele Arbeit und kannst du übernehmen auch noch Abendgassirunde mit Edgar!«
    Weil ich ja nie mit dem Hund geh!, denkt sich der Metzger, schließt trotzdem wohlwollend ab mit: »Wir sehn uns, wenn es dunkel ist, Geliebte!«, schlüpft in sein Wollsakko, seine Winterstiefel und überquert erneut die Straße. Diesmal weitaus weniger gemütlich als zuvor mit Lilli, allerdings nicht weniger vorsichtig. Ein Park hat eben so seine Tücken. Eine noch so großzügig angelegte Hundezone bedeutet ja nicht gleichzeitig, dass das, wofür sie angelegt wurde, auch darin abgelegt wird, von Wegräumen ganz zu schweigen. So ein Hunderl wäre in gewisser Weise ja lernfähig genug, sind ja keine Idioten, die Vierbeiner – was von deren zweibeinigen Besitzern nicht unbedingt flächendeckend behauptet werden kann. Dass sich beispielsweise als Mitbewohner im Familienverband oder als Streicheltier am Kinderspielplatz eventuell ein freundlicheres Exemplar anböte als ein Pitbullterrier oder Rottweiler, verleugnet so mancher Tierliebhaber ja selbst noch vor dem Grabstein des kleinen Jonas, drei Jahre, diesem dummen Jungen, der eben nicht verstanden hat, dass das Viecherl in Wahrheit ja nur spielen wollte. Ausschließlich am Besitzer hapert es also, wie auch hier im Umkreis der Hundezone deutlich zu erkennen ist. So ist sie eben, die Menschheit: ins eigene Wohnzimmer scheißen, niemals, ins Wohnzimmer der anderen, das ist schon ganz etwas anderes.
    Zwei Ausnahmen gibt es:
    Menschen, die intelligenterweise unter Wohnzimmer auch jenen von ihnen frequentierten Lebensraum verstehen, der über die eigenen vier Wände hinausgeht, also ihre Umwelt; oder Menschen, die bedauerlicherweise gar keine eigenen vier Wände besitzen und folglich ihre Umwelt zwangsweise als eigenes Wohnzimmer verstehen müssen. In beiden Fällen gilt auch hier: ins eigene Wohnzimmer scheißen – niemals.
    Und so muss der durch den Park manövrierende Metzger jetzt gar nicht erst den Pavillon und den dort geparkten Einkaufswagen ansteuern, um das Ziel seines Spazierganges zu erreichen.
    »Liegen lassen, überall, den Dreck liegen lassen, den Kot, den Unrat, den Menschen, einfach liegen lassen. Gut gemacht Nummer 22 – hopp, hopp hinein in die gute Stube, weg vom Weg. Weg, weg, sonst weckt es den Eiligen, hopp, hopp. Ja, ja, gleich Nummer 23, gleich kommst du an die Reihe, hinein zu den anderen. Und patsch. Patsch macht es, wie ein Stück Topfenstrudel hinein in die Vanillesoße. Geht es dir gut, Mutter, Kaiserin des Topfenstrudels, patsch, geht es dir gut!«
    Hektisch läuft der Mann mit Vollbart und ohne Meldezettel durch den Park, einen Plastiksack in der einen, eine als Schaufel zweckentfremdete Zeitung in der anderen Hand, und räumt vor sich hin murmelnd den Weg. Ohne den Metzger eines Blickes zu würdigen, widmet er sich dem nächsten Hundehaufen.
    »Schwups, Nummer 23 – hinauf auf die Zeitung. Zeitung, Zeit und Dung, dreckige Geschichten. Überall liegt er, der Dreck, überall, darunter und darüber. Darüber ist wichtig, das verbirgt das Darunter, wichtig. Dreck als Tarnung für
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