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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit
Autoren: W. Somerset Maugham
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Unterhaltung erlahmte. Das unaufhörliche Schwatzen vom Vormittag schrumpfte zu gelegentlichen Bemerkungen zusammen. Auf Sallys Oberlippe standen kleine Schweißperlen, und während sie arbeitete, hielt sie den Mund leicht geöffnet. Sie war wie eine aufbrechende Rosenknospe.
    Feierabend wurde verkündet, je nachdem, wann das Trockenhaus voll war. Manchmal war es schon zeitig voll, gelegentlich waren zwischen drei und vier Uhr bereits so viele Dolden gepflückt, wie während einer Nacht getrocknet werden konnten. Dann war die Arbeit beendet. Gewöhnlich begann das letzte Messen jedoch gegen fünf Uhr. Während der Inhalt der Bennen gemessen wurde, suchten die Mitglieder der Arbeitskolonne ihre Sachen zusammen, fingen nun, nach getaner Arbeit, wieder zu schwatzen an und schlenderten durch den Garten heimwärts. Die Frauen gingen in die Hütten zurück, um Ordnung zu machen und das Abendessen zu bereiten, während eine ganze Reihe von Männern die Straße hinunter zur Kneipe schritt. Ein Glas Bier am Feierabend tat sehr gut.
    Die Benne der Athelnys wurde zuletzt gemessen. Als der Abmesser zu Mrs.   Athelny kam, stand sie mit einem Seufzer der Erleichterung auf und streckte sich. Sie hatte stundenlang in der gleichen Stellung gesessen und war ganz steif.
    »So, nun wollen wir zum ›Jolly Sailor‹ gehen«, sagte Athelny. »Das Tageszeremoniell muss richtig durchgeführt werden, und es gibt keinen Ritus, der heiliger wäre als dieser.«
    »Nimm einen Krug mit, Athelny«, sagte seine Frau, »und bring einen Liter zum Abendessen mit.«
    Sie gab ihm das Geld, zählte Kupfermünze um Kupfermünze in seine Hand. Die Kneipe war bereits gut gefüllt. Der Boden war mit weißem Sand bestreut, rundherum standen Bänke, und die Wände waren mit vergilbten Bildern von viktorianischen Preiskämpfern geschmückt. Der Inhaber kannte alle seine Kunden beim Namen. Er hatte sich über den Schanktisch gelehnt und lächelte huldvoll auf zwei junge Männer herab, die Ringe über Stäbe warfen, die aus dem Fußboden herausragten. Ihr Versagen wurde mit viel gutmütigem Spott quittiert. Man rückte zusammen, um den Neuankömmlingen Platz zu machen. Philip bekam einen Platz zwischen einem älteren Arbeiter in Kordhosen, die unterhalb der Knie gebunden waren, und einem Siebzehnjährigen mit leuchtendem Gesicht und einer sorgfältig auf die Stirn geklebten Locke. Athelny wollte unter allen Umständen sein Glück beim Ringwerfen versuchen. Er wettete um ein halbes Pint Bier und gewann. Er trank es auf die Gesundheit des Verlierers und sagte dabei: »Das habe ich lieber gewonnen als das Derby, mein Junge.«
    Zwischen diesen Landleuten war er mit seinem breitkrempigen Hut und dem Spitzbart eine fremdländisch wirkende Gestalt, und es war deutlich zu merken, dass sie ihn für sonderlich hielten; aber er war so guter Laune, und seine Begeisterung wirkte so ansteckend, dass ihn unmöglich jemand nicht gernhaben konnte. Die Unterhaltung floss leicht dahin. Freundlichkeiten wurden im breiten Akzent der Isle of Thanet ausgetauscht und die Witze des Dorf-Spaßvogels aus vollem Hals belacht. Eine angenehme Gesellschaft! Nur einer sehr hartherzigen Person hätte die Zufriedenheit ihrer Mitmenschen entgehen können. Philips Blick wanderte zum Fenster, dahinter war es noch immer hell und sonnig. Kleine weiße Vorhänge, mit einer roten Schleife gebunden, hingen wie in einem Landhaus davor, und auf dem Fenstersims standen Geranien. Schließlich erhob sich einer nach dem andern und schlenderte zur Wiese zurück, wo das Abendessen auf dem Feuer stand.
    »Sie werden wohl auch bettreif sein«, sagte Mrs.   Athelny zu Philip. »Sie sind es nicht gewohnt, um fünf Uhr aufzustehen und den ganzen Tag im Freien zu verbringen.«
    »Du kommst doch morgen wieder mit baden, Onkel Phil, nicht wahr?«, riefen die Jungen.
    »Sicher.«
    Er war müde und hungrig. Nach dem Essen balancierte er auf einem Stuhl, der keine Rückenlehne hatte und deshalb gegen die Hüttenwand geschoben war, rauchte seine Pfeife und schaute in die Nacht hinaus. Sally hatte zu tun. Sie kam und ging. Er sah ihren methodischen Handgriffen zu. Ihr Gang fiel ihm auf. Er war nicht besonders graziös, aber leicht und sicher, sie bewegte die Beine aus den Hüften und setzte die Füße voll Entschiedenheit nieder. Athelny war fortgegangen, um mit einem der Nachbarn zu schwatzen, und bald darauf hörte Philip, wie Mrs.   Athelny zu der Welt im Allgemeinen sprach:
    »Na, so etwas, jetzt habe ich keinen Tee,
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