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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher
Autoren: Michael Ridpath
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schungsabteilung, an der Reihe. Sie war eine hochgewac h sene Amerikanerin Ende dreißig, mit langem mausbraune n H aar. Schon beim Einstellungsgespräch hatte sie mich beeindruckt. Jetzt sprach sie über die Wahrscheinlichkeit, daß die Gespräche zwischen der venezolanischen Regierung und dem Internationalen Währungsfonds wieder ergebni s los abgebrochen werden würden und über die damit verbundenen möglichen Folgen. Obwohl ich wenig davon verstand, merkte ich, daß das, was sie sagte, Hand und Fuß hatte. Jamie machte sich eifrig Notizen.
    Dann sprach Ricardo jeden in der Runde an. Es ging um Gerüchte, Informationen, Eindrücke, Vermutungen. Alle äußerten sich knapp und präzise. Ich hatte nicht den Ei n druck, daß irgend jemand Pluspunkte sammeln oder Ei n druck schinden wollte, wahrscheinlich, weil Ricardo wohl alle entsprechenden Versuche abgewürgt hätte. Doch all e samt hingen sie an seinem Mund und nahmen jedes e r munternde Wort begierig auf.
    Er kam zum letzten Gruppenmitglied. »Isabel? Wie ist der Stand der Dinge beim Favela -Deal?«
    Isabel war eine zierliche, dunkelhaarige Frau von etwa dreißig. Sie saß auf ihrem Schreibtisch und nippte an einer Tasse Kaffee. »Beim besten Willen, ich weiß es nicht. Mein Kontaktmann in der Wohnungsbaubehörde möchte gern. Und ich glaube, sein Chef auch. Aber der Chef vom Chef? « I hre Stimme war leise und belegt, ihre Sprechweise gela s sen und etwas schleppend. Obwohl sie ein sehr gutes En g lisch sprach, hatte sie einen leichten nasalen Akzent, den ich später als brasilianisch identifizierte.
    »Bringen Sie ihn unter Dach und Fach?«
    »Ich bin eine Carioca . Rio ist meine Heimatstadt. Selbs t verständlich kriege ich das hin.« Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich weiß bloß nicht, ob noch in diesem Jahrhundert. Das ist alles.«
    Ricardo lächelte. »Sicher schaffen Sie das, Isabel. Ich b e gleite Sie gern vor Ort, wenn Sie mich brauchen. Ich könnte auf Oswaldo Bocci einwirken. Er soll ein paar freundl i ch e B eiträge in sein Blatt heben. Vielleicht eine Geschichte, in der gezeigt wird, daß Rio nur mit unserer Hilfe eine ec h te Chance hat, etwas in Sachen F avelas zu unternehmen. Nach allem, was wir im letzten Jahr für ihn getan haben, schuldet er uns eine Kleinigkeit wie diese.«
    »Die Regionalpresse haben wir schon auf unserer Seite«, sagte Isabel und wischte sich ungeduldig eine dunkle Haa r strähne aus der Stirn. »Oswaldo möchte ich nur im äußersten Notfall bemühen. Ich fliege am Mittwoch abend hinüber. Dann hoffe ich, die Sache klären zu können. Sol l te es wider Erwarten nicht klappen, können Sie ihn immer noch anrufen.«
    »In Ordnung, viel Glück«, sagte Ricardo. »Gehe ich recht in der Annahme, daß wir das Modell auch auf andere Städte übertragen können?«
    »Ohne jeden Zweifel. Das müßte überall gehen. Auf jeden Fall in Brasilien. Sobald das Geschäft in Rio unter Dach und Fach ist, spreche ich mit São Paulo und Salvador. Die Konstruktion wird sich überall in Lateinamerika b e währen, wo es Elendsviertel gibt, und wo gibt es die nicht. Wir brauchen zwar für jeden Abschluß die Unterstützung des World Development Fund, aber offenbar ist man dort der Meinung, daß das Geld gut angelegt ist.«
    »Würde das vielleicht auch in Romford gehen?« Es war Miguel, der hochgewachsene argentinische Aristokrat.
    »Laß bloß Romford aus dem Spiel!« protestierte ein korpulenter junger Mann mit grellem Schlips und sehr kurzem Haar. Dave hieß er, wenn ich mich recht erinnerte.
    »Vielleicht hast du recht. Dort ist wohl nichts mehr zu retten.«
    »Ein ganz ausgezeichneter Vorschlag, Miguel«, sagte Ricardo. »Sie wären der geeignete Mann für unsere Außenstelle in Essex. Doch im Ernst, dieser Deal hat Vorbildch a rakter. Sobald er abgeschlossen ist, möchte ich, daß Sie sich alle um ähnliche Geschäfte bemühen. Carlos?«
    Für Carlos ’ Ausführungen über ein mögliches Geschäft mit den Vereinigten Mexikanischen Staaten hatte ich kein Ohr mehr. Meine Augen hingen noch immer an Isabel. Eigentlich sah sie gar nicht so umwerfend aus. Die Nase war etwas zu lang geraten und der Mund etwas zu breit. Auch ihre Kleidung war nicht sonderlich raffiniert, kurzer, bla u er Rock, cremefarbene Bluse und schwarze Schuhe. Ihr G e sicht wurde von einer wilden Haarmähne umrahmt. Trotzdem, sie hatte das gewisse Etwas. Sehr weiblich, sehr sexy. Vielleicht lag es an der Stimme oder der Art, wie sie sich gab. Oder den großen, tiefbraunen
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