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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Steintreppen erklommen hatte, rang er nach Atem und hatte Herzklopfen. Er wartete einen Moment, bevor er auf die Türklingel drückte.
    Die Frau, die ihm öffnete, war klein und blond. Sie trug eine lange Hose und einen Baumwollpulli und hatte einen harten Zug um den Mund.
    Martin Beck schätzte sie auf etwa dreißig.
    »Kommen Sie herein«, sagte sie und hielt die Tür auf. Er erkannte die Stimme wieder, sie gehörte derselben Frau, mit der er eine Stunde zuvor telefoniert hatte. Die Diele war groß und bis auf einen breiten, unlackierten Hocker an einer Wand unmöbliert. Ein kleiner Junge von zwei, drei Jahren kam aus der Küche. Er hatte eine halb aufgegessene Zimtschnecke in der Hand, lief auf Martin Beck zu, baute sich vor ihm auf und streckte ihm seine klebrige Faust entgegen. »Hallo«, sagte er.
    Dann machte er kehrt und rannte ins Wohnzimmer. Die Frau folgte dem Jungen und hob ihn aus dem einzigen bequem wirkenden Sessel des Zimmers, in dem er sich zufrieden plappernd niedergelassen hatte. Er brüllte los, und sie brachte ihn in ein angrenzendes Zimmer und schloss die Tür. Dann setzte sie sich aufs Sofa und steckte sich eine Zigarette an.
    »Sie wollten etwas über Alf wissen. Ist ihm was passiert?« Martin Beck setzte sich nach kurzem Zögern in den Sessel. »Soweit ich weiß, nicht.
    Die Sache ist nur die, dass er sich anscheinend seit ein paar Wochen nicht mehr gemeldet hat.
    Weder bei der Zeitschrift noch bei Ihnen, wie mir gesagt wurde. Sie wissen nicht zufällig, wo er stecken könnte?«
    »Keine Ahnung. Und dass er sich bei mir nicht gemeldet hat, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Zuletzt war er vor vier Wochen hier, und davor habe ich auch einen Monat lang nichts von ihm gehört.«
    Martin Beck warf einen Blick auf die geschlossene Tür.
    »Aber der Junge? Will er denn nicht...«
    »Seit unserer Trennung hat er kein sonderlich großes Interesse an seinem Sohn gezeigt«, sagte sie mit einer gewissen Bitterkeit.
    »Er schickt uns jeden Monat Geld. Aber das ist schließlich nur recht und billig, oder?«
    »Verdient er gut bei der Zeitschrift?«
    »Ja. Wie viel, weiß ich nicht, aber er hat immer genug Geld. Und er ist nicht geizig. Ich musste nie auf etwas verzichten, obwohl er für sich selbst viel ausgab. In Kneipen und für Taxifahrten und so. Ich arbeite mittlerweile, sodass ich selbst in bisschen verdiene.«
    »Seit wann sind Sie geschieden?«
    »Wir sind nicht geschieden. So weit ist es noch nicht. Er ist vor fast acht Monaten ausgezogen. Damals hat er eine eigene Wohnung gefunden.
    Aber schon vorher war er so oft von zu Hause weg, dass da kaum ein Unterschied besteht.«
    »Ich nehme an, Sie kennen seine Gewohnheiten.
    Mit welchen Leuten er sich trifft und wo er normalerweise verkehrt.«
    »Nicht mehr. Ich weiß ehrlich gesagt überhaupt nicht, was er jetzt treibt.
    Früher war er jedenfalls meistens mit Kollegen zusammen. Journalisten und so. Sie hockten immer in einem Restaurant namens Tennstopet.
    Aber heute? Das weiß ich nicht. Möglicherweise lungert er jetzt woanders rum. Dieses Restaurant ist doch bestimmt längst abgerissen worden oder umgezogen.«
    Sie drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, ging zur Tür und horchte.
    Dann öffnete sie sie vorsichtig und schlüpfte ins Zimmer. Nach einer Weile kam sie wieder heraus und schloss die Tür ebenso vorsichtig hinter sich. »Er schläft«, erklärte sie.
    »Ein reizendes Bürschchen«, sagte Martin Beck. »Ja. Das stimmt.«
    Sie schwiegen eine Weile, dann sagte sie:
    »Alf war doch auf Reportage in Budapest? Jedenfalls habe ich das irgendwo gehört. Kann es nicht sein, dass er noch dort ist?
    Oder vielleicht ist er ja woanders hingefahren.«
    »Machte er das normalerweise? Wenn er auf Dienstreisen war?«
    »Nein«, antwortete sie zögernd. »Nein, eigentlich nicht. Er ist nicht besonders ordentlich, und er trinkt viel, aber seine Arbeit hat er immer gemacht, jedenfalls solange wir zusammen waren. Er hat zum Beispiel großen Wert darauf gelegt, seine Manuskripte zum verabredeten Zeitpunkt abzuliefern. Als er noch hier wohnte, hat er oft nachts geschrieben, um ja rechtzeitig fertig zu werden.«
    Sie sah Martin Beck an. Zum ersten Mal in diesem Gespräch bemerkte er eine leise Unruhe in ihrem Blick.
    »Eigentlich ist es merkwürdig, dass er sich bei seiner Redaktion nicht gemeldet hat. Wenn ihm nun tatsächlich etwas passiert ist?«
    »Haben Sie eine Idee, was das sein könnte?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Überhaupt
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