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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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erkältet war. In der nächsten halben Stunde sprachen sie kein Wort. Das Dossier enthielt nicht viel unmittelbar Interessantes, war aber sorgfältig zusammengestellt. Alf Matsson war nicht 1934 in Göteborg geboren worden, sondern 1933 in Mölndal. 1952 hatte er als Journalist in der Provinz angefangen und war dann Reporter bei verschiedenen Tageszeitungen, bevor er 1955 als Sportreporter nach Stockholm kam. In dieser Funktion hatte er etliche Auslandsreisen unternommen, unter anderem zu den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne und 1960 in Rom. Eine Reihe früherer Chefs bescheinigten ihm, ein fähiger Journalist zu sein, »flink und mit gewandter Feder«.
    1961 wechselte er von der Tagespresse zu der Zeitschrift, bei der er nach wie vor arbeitete. In den vergangenen vier Jahren hatte er sich mehr und mehr auf Auslandsreportagen aus den verschiedensten Bereichen verlegt, von Politik und Wirtschaft bis zu Sport und Popstars. Er hatte Abitur und sprach fließend Englisch und Deutsch, einigermaßen gut Spanisch und ein bisschen Französisch und Russisch. Sein Jahresgehalt belief sich auf etwas über 40 000 Kronen. Er war schon zum zweiten Mal verheiratet, die erste Ehe war 1954 geschlossen und im Jahr darauf geschieden worden. 1961 hatte er erneut geheiratet. Alf Matsson hatte zwei Kinder, eine Tochter aus erster Ehe und einen Sohn aus der zweiten.
    Mit bemerkenswerter Akribie nahm sich der Verfasser des Berichts anschließend die Schattenseiten des Mannes vor. Matsson hatte mehrmals versäumt, den Unterhalt für sein älteres Kind zu bezahlen.
    Seine erste Frau bezeichnete ihn als »Säufer und brutales Schwein«. In Klammern wurde darauf hingewiesen, dass die Zeugin keinen ganz zuverlässigen Eindruck machte. Es gab jedoch tatsächlich einige Anhaltspunkte, dass Alf Matsson trank, unter anderem hatte ein früherer Arbeitskollege geäußert, »dass er nett war, aber zum Kotzen, wenn er gesoffen hatte«. Allerdings war lediglich eine dieser Aussagen auch belegt. In der Nacht auf den Dreikönigstag 1966 hatte eine Funkstreife in Malmö ihn zur Unfallambulanz des Allgemeinen Krankenhauses gebracht, nachdem er während eines Streits mit einem gewissen Bengt Jönsson, in dessen Wohnung er sich zu dem Zeitpunkt aufhielt, durch Messerstiche an der Hand verletzt worden war. Der Vorfall war von der Kriminalpolizei untersucht worden, hatte aber zu keiner Anklage geführt, weil Matsson keine Anzeige erstatten wollte. Zwei Polizeibeamte namens Kristiansson und Kvant gaben jedoch zu Protokoll, dass sowohl Matsson als auch Jönsson alkoholisiert gewesen seien, weshalb die Angelegenheit dem sozialpsychiatrischen Dienst gemeldet wurde.
    Die Stellungnahme seines derzeitigen Vorgesetzten, des Chefredakteurs Eriksson, war in schnoddrigem Ton abgefasst. Matsson sei der Osteuropa-Experte des Blatts (welche Verwendung eine Publikation wie diese auch immer dafür haben mochte), und die Redaktionsleitung sehe keinen Anlass, der Polizei über ihre Berichterstattung Rechenschaft abzulegen. Matsson sei, hieß es weiter, sehr an osteuropäischen Fragen interessiert und ein Kenner der Materie, er sei schon oft mit eigenen Ideen gekommen und habe sich bei mehreren Gelegenheiten sehr ehrgeizig gezeigt, indem er Urlaubstage geopfert und unbezahlte Überstunden gemacht habe, nur um an einer bestimmten Reportage arbeiten zu können, die ihn besonders interessierte. Ein früherer Leser dieses Dossiers hatte sich seinerseits ehrgeizig gezeigt, denn er hatte diese Passage rot unterstrichen. Hammar konnte es kaum gewesen sein. Er schmierte nicht in fremden Berichten herum.
    Eine detaillierte Aufstellung der von Matsson veröffentlichten Artikel zeigte, dass es fast ausschließlich Interviews mit berühmten Sportlern sowie Reportagen über Sport, Filmstars und Unterhaltungsthemen waren.
    Das Dossier enthielt noch etliche Informationen in diesem Stil.
    Als sie zu Ende gelesen hatten, sagte Kollberg:
    »Ein selten uninteressanter Mensch.«
    »Bis auf ein merkwürdiges Detail.«
    »Dass er verschwunden ist, meinst du?«
    »Genau«, erwiderte Martin Beck.
    Eine Minute später wählte er die Nummer des Außenministeriums, und mit Verwunderung hörte Kollberg ihn sagen: »Ist da Martin? Ja, hallo Martin, hier ist Martin.« Martin Beck hörte eine Weile mit gequälter Miene zu. Dann sagte er: »Ja, ich fahre.«

4
    Das Haus war alt und hatte keinen Fahrstuhl. Auf den Namensschildern am Eingang stand MATSSON ganz oben, und als Martin Beck die fünf steilen
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