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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition)
Autoren: Margaret Jardas
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begrüßt mich mit traurigem
Gesicht. Ich sehe Tränen in seinen Augen schimmern.
    „Wir hatten so viel Hoffnung auf diesen Mann gesetzt.“ sagt
er leise und umarmt mich. „Und jetzt das.“ Wortlos verstauen wir das Gepäck in
den Bus.
    Heute Morgen ist die ganze Welt bedrückt, denke ich.
    Schweigend verlassen wir Jerusalem, schweigend fahren wir
durch das Bab-el-Wad in Richtung Flughafen. Die Straßen sind leer, die wenigen
Menschen, die zu sehen sind, gehen vorsichtig, mit hängenden Schultern ihres
Weges. Die Trauer um den toten Ministerpräsidenten weht über das Land.
    Die Herbstsonne scheint das nicht zu kümmern, sie gießt ihr
mildes Licht über die Kalkfelsen und die vielen tausend Pinien auf den Hügeln
um die Stadt. Der Blick ist von einer unverletzten Schönheit, von einer
träumerischen Harmonie wie die Landschaftsgemälde der Maler aus dem letzten
Jahrhundert. Ich habe die Lippen fest zusammengepresst, mein Herz schlägt
müde. 
    Kurz bevor wir den Flughafen erreichen, sammelt Raffael
unsere Pässe und Flugtickets ein.
    „Ich erledige alles für Sie.“ sagt er. „Sie können sich in
der Zwischenzeit zur Sicherheitskontrolle einreihen.“
    Am Flughafen herrscht Betriebsamkeit, als sei nichts
geschehen. Menschen hasten mit ihren Koffern hektisch hin und her. Einen Moment
stehen wir unentschlossen am Eingang. Die Gäste schauen mich erwartungsvoll an.
Ach so, denke ich erschrocken, sie wollen, dass ich sie führe. Wie üblich. Nur
dass ich überhaupt nicht weiß wohin. Es ist mir alles so grenzenlos
gleichgültig.
    „Wo sollen wir denn hingehen, Elisabeth?“ fragt Frau
Matthäus aufgeregt.
    „Einen Moment bitte“, antworte ich abwesend. „ich schaue mal
nach.“
    Ich gehe in die Abflughalle und suche nach der Anzeigetafel. Abflug Frankfurt, Linie D entziffere ich.
    „Wir müssen in die Reihe D.“ sage ich mechanisch.
    Wir gehen dorthin, und die Gäste stellen sich hinter mich in
die Linie. Ich werde als erste die Kontrolle passieren, denke ich benommen,
dann ist alles rasch vorüber.
    „Sind Sie die Reiseleiterin?“ fragt mich ein Mann in der
Uniform der Sicherheitspolizei. Ganz plötzlich steht er dicht vor mir, seine
Stimme ist scharf. Ich zucke zusammen.
    „Ja.“ antworte ich. „Ja, das bin ich.“
    „Sie können nicht als erste durchgehen. Zuerst kommt die
Gruppe.“ sagt er unfreundlich. „Stellen Sie sich hinten an. Vielleicht brauchen
wir Sie bei der Befragung zum Übersetzen.“ Er packt mich am Arm. „Waren Sie
denn noch nie hier?“ Er schüttelt verständnislos den Kopf.
    Ich drehe mich um und stolpere nach hinten. Den Koffer
schiebe ich mit dem Fuß, ich habe keine Kraft, ihn zu tragen. Als ich am Ende
der Reihe angekommen bin, sehe ich, dass Raffael vorne die Pässe und
Flugtickets an die Gäste zu verteilen beginnt. Sie umarmen ihn ergriffen. Es
ist das letzte Lebewohl. Noch ein Schritt, und unsere Welten trennen sich
wieder. „Schön war es, Raffael.“ sagen sie. Aber in Gedanken sitzen sie schon
im Flugzeug. Hinter der Kontrolle werden wir schnell wieder die Fremden sein,
die wir vor der Reise waren. Die Deutschen kehren heim, der Mann aus Israel
gehört bereits der Vergangenheit an.
    Vor mir steht Dr. Nerwenka. Er greift in seine Fototasche,
zieht ein dicht beschriebenes Blatt heraus und hält es mir hin. „Sie wollten
sich mal wieder vordrängen, was?“ sagt er böse. Lass` mich doch in Ruhe, denke
ich abwehrend. Aber er wedelt weiter mit dem Papier in der Hand. „So, und das
werden Sie mir jetzt abzeichnen.“ sagt er. „Ich habe alle Mängel dieser Reise
detailliert aufgeführt.“
    Er beginnt, seine Notizen vorzulesen. Wie durch einen Schalldämpfer
höre ich seine nagende Stimme. „Punkt eins: Die Sitze im Bus zum
Katharinen-Kloster waren unzumutbar, da zu eng. Punkt zwo: Statt des
angegebenen Hotels in Amman wurden wir in ein Hotel verfrachtet, das am
Stadtrand lag. Punkt drei: Dieses Hotel hatte einen Stern weniger, als das von
uns im Voraus bezahlte und verfügte nicht einmal über ein Safe für die
Wertsachen...“
    Ich höre seine Worte, aber in mir regt sich nichts.
Vielleicht bin ich schon tot, denke ich. „Punkt sieben: Die Reiseleiterin forderte
viel zu viel Trinkgeld für das Begleitpersonal. Es ist nicht Aufgabe des
Reisenden, die schlechten Löhne der hiesigen Agenturen aufzubessern. Punkt
acht: Der einheimische Reiseleiter saß immer auf dem besten Platz in der ersten
Reihe des Busses. Er hätte ihn den zahlenden Gästen aus dem Ausland
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