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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition)
Autoren: Margaret Jardas
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Asche achtlos in den Wind geblasen. 
    „Ich hasse Dich, Raffael.“ höre ich mich flüstern. Im selben
Moment noch ist mir klar, dass das nicht stimmt. Ich empfinde keinen Hass für
ihn.
    Ich hasse ihn nicht, weshalb denn nicht, denke ich
verzweifelt. Warum hasse ich ihn nicht? Er hat mich verwundet, er hat mir so großen
Schmerz zugefügt. Nichts kann jemals wieder so sein wie vorher. Ich müsste ihn
dafür hassen! Warum in aller Welt tue ich es nicht?
    Ich spüre plötzlich, wie mir übel wird. Mein Magen krampft
sich zusammen, der Speichel sammelt sich in meinem Mund, und, ganz hilflos dem
Grauen ausgesetzt, das sich seinen Weg aus meinen Eingeweiden sucht, speie ich
die übergroße Last meines Magens über den Balkon. Ich starre dem  bitteren,
ausgekotzten Regen hinterher.
    Und plötzlich weiß ich es. Eine einfache, deutliche
Erkenntnis.
    Er ist ein Wahnsinniger, Elisabeth, höre ich mich sagen. Mir
wird kalt bei diesen Worten. Aber mit einem Mal ist es mir vollkommen klar.
Raffael ist nicht normal und er wird ihm ewigen Strom seiner Verirrungen
untergehen. Und wenn ich bleibe, werde ich mit ihm zugrunde gehen.
    Ich kann ihm nicht in seine Damönenwelt folgen. Der Film ist
aus. Hollywood hat nicht stattgefunden. Ich spucke den Rest der fauligen Brühe
in meinem Mund über die Brüstung. 
     
    Ein weitentferntes Klirren lässt mich hochfahren. Ich weiß
gar nicht, wo ich bin. Irritiert schaue ich um mich, draußen ist es hell, und
ich sehe, dass ich auf dem Sofa mit den vielen bunten Kissen liege. In
Jerusalem. Im zweiundzwanzigsten Stock. Warum tut mir jeder einzelne Knochen
weh und dröhnt es so eigenartig verzerrt in meinem Kopf?
    Das gleichtönige Geräusch hält an. Es kommt aus dem
Schlafzimmer. Und plötzlich fährt mir ein schmerzender Blitz in den Körper.
Natürlich. Die Nacht. Raffael. Ein Zittern geht mir durch und durch, es
schüttelt mich, ich schlottere und zucke am ganzen Körper. Die grauenhaften
Bilder der gestrigen Nacht nehmen von mir Besitz. Nein! nein! nein! Weg mit
Euch! Ich klammere mich am Bettrand fest. Geht weg! Verschwindet! Ich kann Euch
nicht ertragen. Ich schlage die Hände vor das Gesicht und versuche, die
Erinnerungsfetzen zu verscheuchen.
    Jetzt weiß ich auch, was das für ein Klingellaut sein muss.
Es ist der Wecker aus dem Schlafzimmer. Ich bin, trotz allem, eingeschlafen.
Mein Kopf schaukelt hin und her, ich fahre mir nervös durch die Haare und
starre abwesend an die Wand. Gedanken, die ich nicht ordnen kann, durchfluten
mich, überspülen mein Bewusstsein, ich sehe sein verzerrtes Gesicht über mir,
höre seine faschistischen Hasstiraden, spüre das heiße Brennen, als er sich mit
Gewalt seinen Weg in meinen Unterleib rammte. Und doch muss ich mich jetzt
sammeln. Ich weiß es. Ich muss. Ich muss. 
    Ich werde jetzt ins Schlafzimmer gehen, sage ich mit
zittriger Stimme zu mir selbst, wo das blutrünstige Tier liegt und schläft. Ich
muss. Ich muss ihn wecken. Bei dem Gedanken, dass er hier, ganz nahe bei mir,
ist, fange ich wieder krampfartig zu zucken an. Mein Gott, ich bin hier
eingeschlafen, und er war die ganze Zeit in meiner Nähe. Und gleich werde ich
ihn sehen, denke ich entsetzt, ich will ihn aber nicht sehen. Ich habe solche
Angst vor ihm. Mein Atem geht brüchig und stoßweise, fassungslos zitternd stehe
ich im Zimmer, ich kann mich nicht ruhighalten, der Schweiß läuft mir die
Achseln hinunter.  
    Ich blicke auf die Uhr. Es ist beinahe halb acht Uhr,
unmöglich, noch länger zu warten. In zwei Stunden werden wir im Bus zum
Flughafen sitzen. Mein Koffer ist noch nicht gepackt. Jeans, Hemden, Schuhe,
Socken, wild verstreut liegen meine billigen Habseligkeiten in dem kostbaren
Zimmer. Ängstlich berühre ich die Klinke zum Schlafzimmer. Mein Gott, denke ich
in panischem Schrecken, gleich werde ich ihn sehen, wie er in seiner abstoßenden
Vierschrötigkeit nackt in meinem Bett liegt, es rücksichtslos belagert und in
ihm, dumpf dämmernd, seine gemeinen Ausschweifungen in aller Ruhe ausschläft.
Ich will seine Fratze nicht sehen, denke ich zitternd, eine kalte Angst vor
diesem Fremden nagt sich in mir fest.
    Es bleibt mir keine Wahl, ich muss ihn wecken, ich muss in
das Zimmer, ins Bad. Die Zeit drängt. Ich drücke die Klinke nach unten, halte
den Atem an und öffne die Türe.
    Das Bett ist leer. Der Abdruck seines schweren Körpers ist
in der leinernen Kuhle noch zu ahnen. Blitzschnell lasse ich meinen Blick
durchs Zimmer jagen. Ich rase ins Bad. Die lauten
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