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Der magische Turm

Der magische Turm

Titel: Der magische Turm
Autoren: Hugh Walker
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Zauberei erlegen wie ein dummer Junge. Er hatte vergessen, in welcher Gefahr er sich befand. Sie hatte ihm den Verstand geraubt. Und nicht nur den Verstand. Auch die Kraft.
    Er durfte nicht warten, bis sie erwachte und erneut Macht über ihn gewinnen konnte.
    Die Anstrengung, sich aufzurichten, trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. In die Kleider zu schlüpfen war die Hölle. Danach lag er eine Weile keuchend da, bis ihm klar wurde, dass seine Kräfte schwanden, dass jedes Zögern ihm den Tod bringen mochte.
    So kämpfte er sich erneut hoch und kam schwankend auf die Beine. Wo war Alton, das Gläserne Schwert?
    Er versuchte sich zu erinnern. Es musste irgendwo außerhalb des Lagers sein, wenn die Hexe nicht.
    Nein, sie hatte es nicht genommen. Er entdeckte es in Armlänge außerhalb des Lagers.
    Zitternd vor Anstrengung, beugte er sich über die Schlafende, um nach dem Pergament zu greifen. Etwas sagte ihm, dass es wertvoll für ihn sei. Er erschrak.
    Das Gesicht der Hexe war eingefallen. Es hatte jede Ähnlichkeit mit dem Bildnis verloren. Tiefe Kerben schnitten den Verfall des Alters in das bleiche Fleisch und spannten eine Haut, die alles Leben verloren hatte und durchscheinend wie Pergament war, über das knöcherne Antlitz einer Greisin.
    Auch der Körper selbst verfiel zusehends. Das Fleisch wurde schlaff, faltig, die Muskeln kraftlos, die Haut alt und runzlig, die Brüste flach, die Rippen weiße, gekrümmte Stäbe unter der dünnen Haut.
    Mythor unterdrückte das Mitleid, das heiß in ihm hochwallte. Seine kraftlosen Finger griffen nach dem Pergament und zogen es mühsam aus ihrer Hand.
    Sie erwachte. Dunkle Augen, noch leer vom Schlaf, öffneten sich. Sie gewannen rasch Leben und blickten in seine. Sie waren erfüllt von einem Hunger, der ihn an etwas erinnerte: an den flüchtigen Eindruck vom Tod, den er gehabt hatte, als er das Stockwerk betrat.
    Ein altes Weib und der Tod!
    Stöhnend, aber getrieben von einer eisigen Hand im Nacken, richtete er sich auf und taumelte an den Rand des Lagers. Er griff nach den Vorhängen, doch das Gespinst entglitt seinen halb gelähmten Fingern. Er stürzte.
    »Quyl!« entfuhr es ihm, halb in Panik und halb aus Grimm.
    Unter ihm war kein Boden, nur diese tiefe schwarze Kluft, in der in unendlicher Ferne Feuer flackerte. Er fiel nicht hinab. Er schwebte über der düsteren Leere. Weder das Lager noch Alton vermochte er zu erreichen, obwohl beides nicht viel mehr als einen Schritt entfernt war.
    Er drehte sich, und die Bewegung verursachte ihm Schwindel und Übelkeit. Jede Bewegung seiner Arme oder Beine ließ ihn nur heftiger kreisen. Tief unten begann sich etwas zu regen .
    »Sie kommen wieder«, sagte eine scharrende Stimme. »Und diesmal gibt es kein Entfliehen.« Da war eine Spur von Bedauern in der Stimme.
    Er sah, dass sich die Hexe erhoben hatte und am Rand der Schlucht stand. Fast alles Fleisch war verschwunden. Sie war mehr ein Skelett denn etwas Lebendes. Nur ihre Augen lebten und ließen nicht von ihm.
    Rauchige Schatten näherten sich aus der Tiefe und streckten ihre Schwadenarme hoch. Verzweifelt flog sein Blick zu Alton, das so nah und doch so unerreichbar schwebte. Mit ihm wäre er dem herannahenden Tod gewachsen gewesen.
    Aber er war hilflos. »Hilf mir!« sagte er und streckte die Arme nach ihr aus.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin hier, um dich zu töten oder selbst dabei zu sterben. Dass ich dich liebte, war nur eine alte, längst vergessen geglaubte menschliche Schwäche aus einer Zeit, da ich noch Fleisch und Blut war. Vor tausend Jahren. Vor einer Ewigkeit. Aber es war gut, diese Erinnerungen aufzufrischen. Ich teilte mit Königen das Lager. Aber ich wurde alt wie alles, was lebt. Und ich fand Quaercorin, der mich in der Zauberei unterrichtete und mich lehrte, mit Dämonen zu verkehren. Auf meine Art wurde ich unsterblich.«
    Ihre blutleeren Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Grinsen. Sie raffte das rote Schleiergewand um sich, aber es vermochte nicht den gespenstischen Anblick des ausgezehrten Wesens zu verbergen.
    Mythor unterdrückte mühsam das Mitleid. Es war sein Leben, das in Gefahr war. Die Vorstellung, dass er in ihren Armen gelegen hatte, ließ ihn schaudern.
    »Was hast du zu verlieren, wenn du mir hilfst?«
    »Mein Leben.«
    »Welch ein Leben.!«
    »Ich kann immer jung und schön sein, wenn ich will. Ich habe nach wie vor die Kraft dazu.«
    »Jung und schön für irgend jemanden, der die Wahrheit nicht kennt. Dich selbst kannst
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