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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Carroll
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sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Wie sollte sie sich da in die Höhle des Löwen wagen?
    »Hast du eigentlich noch Urlaubstage?«, fragte er und packte sie fest bei den Schultern.
    Zum ersten Mal an diesem Tag des Grauens musste sie zu ihrem eigenen Erstaunen lächeln.
    »Nun ja … nur die der letzten sieben Jahre.«
    »Dann ist die Sache wohl eindeutig. Nimm deinen Mantel. Ich bringe dich nach Hause.«
    Er hat recht, dachte sie und fühlte sich plötzlich wie von einer Zentnerlast befreit. Sollte der verdammte Vorstand die Hinrichtung ruhig verschieben. Sie war diesen Leuten doch völlig gleichgültig, weshalb also höflich zu ihnen sein? Sie hatten sie ohnehin nur nach oben zitiert, um sie hochkant rauszuschmeißen, so viel stand fest. Sollten sie doch warten. Schließlich spielte es keine Rolle, ob sie heute oder morgen die Kündigung bekam.
    Es zählte nur, dass Jake wie durch ein Wunder zu ihr zurückgekehrt war. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte sie sich sicher … und geborgen.
    »Bring mich nach Hause«, stieß sie mühsam hervor.

Teil fünf – Eloise

Kapitel achtzehn
    Ich habe ja wirklich schon viele merkwürdige Dinge erlebt, aus Kriegsgebieten berichtet und politische Entwicklungen verfolgt, bis ich kaum noch geradeaus schauen konnte. Ganz zu Anfang meiner Karriere war ich sogar gezwungen, diversen zweitklassigen Promis nachzuspionieren, wenn sie aus den Wohnungen von Freundinnen kamen, von denen ihre Ehefrauen nichts ahnten. (Da ist mir Afghanistan übrigens allemal lieber.)
    Aber so etwas ist mir mein Lebtag nicht untergekommen.
    Nachdem ich so viele Jahre lang Nachrichtenmeldungen hinterhergejagt oder sie redigiert habe, ist es wirklich ausgesprochen seltsam, plötzlich selbst eine Nachricht zu sein.
    Mein gesamtes soziales Umfeld beteuert, dass sich die Sache bald totgelaufen haben wird. Sie wiederholen es wie ein Mantra, als ob es dadurch wahr werden würde.
    Allerdings weist nichts darauf hin. Die Situation spitzt sich eher zu.
    Bis jetzt war ich die Geschichte auf Seite zwei von sage und schreibe vier Abendzeitungen, das Thema Nummer drei in drei Radiotalkshows, die zur Berufsverkehrszeit laufen, und der vorletzte Punkt in den Achtzehn-Uhr-Nachrichten. Vielen Dank an die Mistkerle von Channel Six. Mein großes Pech ist, dass gerade das Sommerloch ist und man mit einer Skandalgeschichte wie dieser … oh … drei Minuten Sendezeit füllen kann. Ach, und um das Maß der Demütigungen vollzumachen, bin ich zur Witzfigur geworden, über die sich die Leute nach Herzenslust die Mäuler zerreißen. »Hast du es schon gehört? Die Chefredakteurin der Post deckt den Knacki, mit dem sie zusammen ist.« Oder so ähnlich. Brauche ich noch mehr zu sagen? Außerdem ist ein weiteres Foto, das uns am fraglichen Wochenende zeigt, auf »geheimnisvolle Weise« aufgetaucht und ziert jetzt jede sensationslüsterne Webseite. Jake hat den Arm um mich gelegt, und wir beide biegen uns vor Lachen. Das war kurz vor dem schrecklichen Zwischenfall … damals, als zwischen uns noch alles in Ordnung war und ich mir Hoffnungen auf die Zukunft gemacht habe.
    Eins liegt jedenfalls auf der Hand. Der Informant stammt aus unseren Reihen. Ich kann förmlich riechen, dass Seth Coleman hinter alldem steckt. Scheibchenweise kommen immer neue Informationen ans Licht. Für gewöhnlich werden sie bei Twitter gepostet und von dort aus aufgegriffen. Um die Sache auf direktem Wege zu verbreiten, ist er viel zu gerissen, denn so genießt er vollständige Anonymität und die Freiheit, mich mit Dreck bewerfen zu können, wie es nur unter dem Deckmantel eines erfundenen Benutzernamens möglich ist. Neun von zehn Malen enthalten die Meldungen sogar ein Körnchen Wahrheit, doch natürlich ist der Großteil maßlos übertrieben.
    »Exklusiv: Lesen Sie hier, wie Eloise Elliot sich aus dem Büro davonstahl, um ihren Geliebten, einen Knastbruder, zu treffen …«, lautete eine Schlagzeile. Jake hat tapfer versucht, sie ins Lächerliche zu ziehen, aber das Lachen ist mir im Hals stecken geblieben. Was soll ich tun? Die Leute verklagen, weil Jake und ich kein Paar sind und niemals eines sein werden? Zwecklos, und das wissen die genauso gut wie ich.
    Und dann sind da noch die unzähligen vagen, unbelegten und indirekten Zitate, deren Abdruck ich als Chefredakteurin niemals zugelassen hätte. Aber offenbar hat die Konkurrenz da weniger Skrupel. »Ein Freund bei der Post hat mir anvertraut …« und ähnlicher Mist. Jake versucht, die
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