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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Jacqueline Navin
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verletzlicher sie sich fühlte, desto mutiger musste sie sich nach außen geben, das hatte sie gelernt.
    „Miss Wembly", hob er noch einmal an und kam auf sie zu, „bitte setzen Sie sich doch."
    Sie ging zur Sitzgruppe zurück und kam der Aufforderung dankbar nach. So aufrecht wie möglich saß sie auf der Stuhlkante ihres Stuhles und sah zu, wie er mit einer ebenso lässigen wie eleganten Bewegung ihr gegenüber Platz nahm. Dann schlug er die langen Beine übereinander, stützte die Ellbogen auf die geschwungenen Armlehnen seines Stuhles und verschränkte die Finger unter dem Kinn. Ohne ein Wort blickte er sie erbarmungslos an, bis sie sich so weit wieder in der Gewalt hatte, um die Stille mit höflicher Konversation zu füllen.
    „Wirklich ganz entzückend." Vage deutete sie mit dem Arm in Richtung eines Tableaus zu ihrer Rechten. Sie war peinlich berührt, als sie feststellte, dass das Bild, auf das sie gedeutet hatte, eine sehr kühne Darstellung zweier unbekleideter Liebender war. Schnell senkte sie den Arm und faltete wieder die Hände im Schoß. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. „Ja, ich habe schon vorhin bemerkt, dass Sie eine gewisse Bewunderung für die Schönheiten dieses Raumes zeigten." Er meinte, wie sie sehr wohl wusste, dass er sie dabei gesehen hatte, wie sie sich selbst im Spiegel musterte. Der Spott, der in seinen Worten mitschwang, ließ sie erröten. Ihre Unruhe wuchs. Sie warf ihm einen, wie sie hoffte, kühlen Blick zu und schwieg. Schließlich war er es, der dieses Vorstellungsgespräch führen wollte. Sie würde nicht noch einmal Unsinn plaudern, nur um das ungute Schweigen zu brechen. Sich sammelnd blickte sie zu Boden.
    Am besten war es, gar nicht daran zu denken, wie sehr sie die Stellung, die er ihr und anderen offerierte, wollte, nein, brauchte. Es war seltsam, die Sache so bezeichnen zu müssen, aber es war die Wahrheit. Sie bewarb sich um die Stellung als seine Frau und Mutter seines zukünftigen Erben.
    So ertrug sie sein Schweigen und versuchte, ihr Unbehagen zu verbergen.
    Nachdem er sie ausgiebig gemustert hatte, bat er: „Bitte erzählen Sie mir etwas über sich, Miss Wembly."
    Sie sah auf, erfreut, dass er offensichtlich doch an ihr interessiert war. Auf seine Bitte war sie vorbereitet. Ihre Aufregung ließ spürbar nach. „Mein Name ist Arabella Caroline Wembly, aber ich werde seit meiner Geburt mit meinem zweiten Namen,
    Caroline, gerufen. Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt, in London zur Welt gekommen und lebe dort seit meiner Kindheit. Mein Vater war der zweite Sohn eines Mar-quess und hat sein Geld als Händler verdient, daher waren wir wohlhabend, wenn auch nicht reich. Ich wurde von einer Gouvernante erzogen, bis ich elf Jahre alt war, dann ... "
    „Warum sind Sie in Ihrem Alter noch immer unverheiratet?", unterbrach sie der Earl. Die in barschem Tonfall gestellte Frage war rüde und hätte unter anderen Umständen als ungehörig gegolten. Doch in der irritierenden, fast absurden Lage, in die sie sich begeben hatte, schienen die Konventionen nicht von Belang zu sein. Caroline überlegte kurz, dann antwortete sie: „Ich wurde zweimal in die Gesellschaft eingeführt, einmal, als ich siebzehn und einmal, als ich achtzehn Jahre alt war, wenn Sie darauf anspielen, Mylord, aber keiner der Herren, die mir vorgestellt wurden, hat mein Interesse erweckt."
    „Aber ich nehme doch an, Sie haben Interesse erweckt, nicht wahr?" Er beugte sich langsam vor, wohl, um sie noch eindringlicher mustern zu können. Wie ein Raubtier, dachte sie, wie ein Raubtier, das seine Beute anstarrt und dann noch ein wenig mit ihr spielt, bevor es zuschlägt. „Wie viele Heiratsanträge wurden Ihnen gemacht?"
    „Einige", antwortete Caroline höflich.
    „Einige? Heißt das zwei Anträge? Oder zwanzig?"
    Sie warf ihm überrascht einen Blick zu. Da er sie mit seinem Blick fast wie in einer erdrückenden Umklammerung gefangen hielt, begann sie wieder nervös zu werden. Sie hob das Kinn und erwiderte: „Mir wurden neun Anträge gemacht, Mylord."
    „Du liebe Güte!", rief er erstaunt aus. „Und niemand erweckte Ihr Interesse?"
    „Nein, Mylord."
    „Darf ich fragen, warum nicht?"
    Sie presste die Lippen zusammen, dann sagte sie: „Nein, Mylord, das dürfen Sie nicht."
    Er war unentschlossen, ob er sich über diese Antwort ärgern oder amüsieren sollte, das sah sie. Seine impertinenten Fragen sollten ihm im Halse stecken bleiben. Sie wollte die Stellung, die er ihr bot, so sehr, aber er
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