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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Jacqueline Navin
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und ließ ihn fallen. Laut traf er auf das goldfarbene Oval, auf dem er vorher geruht hatte. Über ihre Schulter hinweg warf sie noch einen schnellen Blick über die kiesbestreute halbrunde Auffahrt, die zum großen Herrenhaus von Hawking Park führte, und sah, wie der leichte Zweispänner, mit dem sie gekommen war, weggebracht wurde. Zittrig stieß sie den Atem aus, richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Tür vor ihr, hob das Kinn und wartete.
    Sie hatte versucht, sich von der Eleganz des Phaetons, mit dem sie abgeholt worden war, nicht beeindrucken zu lassen, und war bemüht gewesen, ihre Aufregung zu verbergen, als der Kutscher ihr in den Wagen half. Auch als die Vorderseite des mächtigen Gebäudes, das vom gewaltigen Reichtum des Earl of Rutherford kündete, in Sicht kam, hatte sie nicht mit der Wimper gezuckt und einen Ausruf gerade noch unterdrücken können. Jetzt, da der Phaeton verschwunden war, gab es keinen Weg zurück. Sie musste stark bleiben.
    Die schweren Eingangstüren schwangen nach innen auf, und ein großer, ernst wirkender Mann mit dichtem silberfarbenen Haar und in blauer Livree stand vor ihr. „Miss Wembly?" Es klang mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage. Er verneigte sich und bewegte sich zurück, zum Zeichen, dass sie eintreten solle.
    Auch sie neigte leicht den Kopf und trat dann zögernd einen Schritt vor. Die kreisförmige Eingangshalle war überra-
    sehend hoch und erhellt von dem Licht, das durch zahllose Bleiglasfenster fiel.
    „Mein Name ist Arthur", sagte der Bedienstete bestimmt, aber leise. „Seine Lordschaft erwartet Sie. Bitte folgen Sie mir." Respektvoll ging Caroline dem Majordomus nach, der sie nach rechts in einen langen, überwölbten Gang führte. Außer dem Geräusch, das die Absätze ihrer knöchelhohen Stoffstiefeletten auf dem gepflegten Marmorboden machten, war kein Geräusch zu hören. Sie blickte sich um. In Nischen entlang der Wand stand eine Reihe zerbrechlich wirkender Skulpturen aus Alabaster - überwiegend spärlich bekleidete zarte Nymphen, die ihre Körper in die merkwürdigsten Richtungen wanden. Schockiert über diese zur Schau gestellte
    Wollust, die den Grenzen des guten Geschmacks gefährlich nahe kam, wandte Caroline den Blick ab und sah starr auf die Livree des Dieners. Dieser öffnete nur wenige Schritte weiter eine in den Angeln knarrende Mahagonitür, die zu einem Salon von der Größe eines Ballsaales führte.
    „Bitte nehmen Sie Platz, Miss Wembly. Seine Lordschaft wird sofort bei Ihnen sein", kündigte er an. Er nahm ihr ihre Pelerine ab, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
    Caroline setzte sich auf einen Polsterstuhl, faltete ihre Hände im Schoß und atmete tief durch, während sie sich umsah.
    Noch nie zuvor war sie in einem so eleganten Zimmer gewesen. Die geschmackvolle Pracht des Raumes machte sie noch nervöser, als sie wegen der heiklen Angelegenheit ohnehin schon war.
    Eine Weile saß sie so da und wartete, dann stand sie auf und ging zögernd zu einem dör vergoldeten Spiegel, um ihr Erscheinungsbild zu überprüfen. Das Rascheln ihrer Röcke schien in dem hohen Raum widerzuhallen, als sie über das Parkett schritt. Ein kritischer Blick in das silbrige Glas zeigte ihr, dass ihre Frisur unter der Fahrt im offenen Wagen nicht gelitten hatte. Noch immer saß der Mittelscheitel perfekt, und auch aus den Seitenpartien, die sie in weichem Bogen nach hinten aufgesteckt hatte, hingen keine losen Strähnen. Mit den Händen strich sie über den weiten Seidenrock ihres Kleides, der unten von drei Reihen Volants gebauscht wurde.
    Leider besaß sie keine verstärkten Unterröcke, durch die er
    noch glockiger fallen und ihre schmale Taille betonen würde. Sie schnitt ein Gesicht, griff dann entschlossen an ihr Mieder und verschob das Kleid so weit, dass die Rundungen ihrer vollen weißen Brüste oberhalb des Ausschnittes zu sehen waren. Es war eigentlich völlig unschicklich, sich um diese Tageszeit derart entblößt zu zeigen, aber Caroline war entschlossen, so ansehnlich wie möglich auszusehen. Unzufrieden musterte sie ihr Gesicht. Ihre blauen Augen, so dunkel, dass sie von mehr als einem Bewunderer als veilchenblau bezeichnet worden waren, sahen übergroß aus und dominierten ihre blassen, bedrückt wirkenden Züge. Ach herrje, sie sah aus wie ein zu Tode verängstigtes Kind! Es war die Sorge um James, die ihr ins Gesicht geschrieben stand und sie jünger als ihre zweiundzwanzig Jahre wirken ließ. Doch der Earl
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