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Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Camilla Läckberg
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Mit einem Ruck stand Signe auf. »Papa redet zwar viel dummes Zeug, aber in einem Punkt hat er recht. Sie freut sich bestimmt über Besuch.«
    Matte gab keine Antwort. Er schien mit seinen Gedanken ganz weit weg zu sein.

Fjällbacka 1870
    E melie fürchtete um ihr Leben. Noch nie hatte sie das Meer mit eigenen Augen gesehen, und nun saß sie in dieser Nussschale. Krampfhaft klammerte sie sich mit den Fingern an die Reling. Sie hatte das Gefühl, von den Wellen hin-und hergeschleudert zu werden und keine Kontrolle mehr über ihren Körper zu haben. Sie suchte Karls Blick, doch er hielt den Blick fest auf das gerichtet, was sie in der Ferne erwartete.
    Die Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf. Es war sicher nur das dumme Gerede einer abergläubischen alten Frau, aber sie hatten sich ihr trotzdem eingeprägt. Als sie das kleine Segelboot unten im Hafen von Fjällbacka beluden, hatte die Alte gefragt, wo sie hinwollten.
    »Nach Gråskär«, hatte sie freudestrahlend geantwortet. »Mein Mann ist dort der neue Leuchtturmwärter.«
    Die Frau hatte sich davon jedoch nicht beeindrucken lassen. Stattdessen hatte sie die Nase gerümpft und mit einem etwas eigenartigen Kichern gesagt:
    »Gråskär? So, so. Hier in der Gegend nennt die Insel niemand so.«
    »Ach.« Emelie hatte plötzlich das Gefühl, dass sie lieber nicht nachfragen sollte, doch dann hatte ihre Neugier die Oberhand gewonnen. »Wie nennt man die Insel denn hier?«
    Zunächst gab die Frau keine Antwort. Schließlich senkte sie die Stimme.
    »Hier bei uns wird sie die Geisterinsel genannt.«
    »Geisterinsel?« Emelies nervöses Lachen war an diesem frühen Morgen weithin zu hören. »Wie seltsam. Warum denn das?«
    Mit einem Glitzern in den Augen antwortete die Frau. »Weil es heißt, dass wer dort stirbt, die Insel nie wieder verlässt.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ließ Emelie, in deren Bauch es nun nicht mehr vor Vorfreude kribbelte, sondern sich ein merkwürdiger Klumpen zusammenballte, allein zwischen Taschen und Koffern zurück.
    Und nun hatte sie das Gefühl, sie könnte jeden Moment dem Tod ins Auge sehen. Das Meer war so groß und ungezähmt und schien eine regelrechte Sogwirkung auf sie zu haben. Sie konnte nicht schwimmen, und falls eine dieser Wellen, die ihr so groß vorkamen, obwohl Karl sie nur als leichte Dünung bezeichnete, das Boot umkippte, würde sie in die Tiefe gezogen. Davon war sie fest überzeugt. Sie klammerte sich noch fester an die Reling und starrte auf den Fußboden oder das Deck, so sagte Karl, wurde der Boden hier genannt.
    »Dort drüben sieht man Gråskär.«
    Karls Stimme ließ sie den Kopf heben. Emelie holte tief Luft und warf einen Blick in die Richtung, in die er zeigte. Als Erstes fiel ihr auf, wie schön die Insel war. Sie war zwar klein, doch das Haus glänzte im Sonnenschein, und die Klippen glitzerten. Auf der einen Seite des Hauses sah sie Stockrosen. Verwundert fragte sie sich, wie diese in der rauen Umgebung gedeihen konnten. Nach Westen hin wirkte die Insel wie abgehackt, aber an den drei anderen Seiten fielen die Felsen sanft zum Wasser hin ab.
    Auf einmal erschienen ihr die Wellen gar nicht mehr so wild. Sie sehnte sich noch immer nach festem Boden unter den Füßen, aber Gråskär hatte sie bereits verzaubert. Was die alte Frau über die Geisterinsel gesagt hatte, verbannte sie in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins. Etwas so Schönes konnte nichts Böses verbergen.

H eute Nacht hatte sie sie gehört. Das gleiche Flüstern, die gleichen Stimmen wie in ihrer Kindheit. Als sie aufwachte, war es drei Uhr. Zuerst wusste sie gar nicht, was sie geweckt hatte. Dann hörte sie sie. Sie redeten dort unten miteinander. Worüber sprachen die Toten? Über Dinge, die vor ihrem Tod geschehen waren, oder über Dinge, die sich heute, viele Jahre später abspielten?
    Annie hatte ihre Anwesenheit auf der Insel gespürt, seit sie denken konnte. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass sie schon als Baby manchmal plötzlich lachte und mit den Armen ruderte, als hätte sie etwas gesehen, was außer ihr niemand sehen konnte. Als sie größer wurde, nahm sie sie immer bewusster wahr. Leise Stimmen, Gestalten, die vorüberhuschten, das Gefühl, dass sich noch jemand im Raum befand. Sie wollten ihr nichts tun. Das hatte sie schon damals gewusst, und das war ihr auch jetzt klar. Lange Zeit lag sie wach und lauschte den Stimmen, bis sie schließlich sanft von ihnen in den Schlaf gewiegt wurde.
    Im Morgengrauen erinnerte sie sich
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