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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Autoren: Adam Nevill
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gleichzeitig ein hässliches Gurgeln aus der Kehle dieses lederigen Dings drang, das nicht größer war als ein zehnjähriges Kind und sich an seinem Opfer festklammerte.
    Der Anblick war so schrecklich, dass Kyle gelähmt dastand und benommen zuhörte, wie sich draußen im Korridor stampfende, trampelnde Knochenbeine laut und dröhnend näherten. Jed schoss dem Ding, das an seinem Hals hing eine Kugel durch den kleinen Schädel. Dann fiel er nach vorn auf den Bauch, richtete sich schweigend und mit weit aufgerissenem Mund wieder auf, die eine Hand gegen die dunkle, feucht glänzende Kehle gedrückt. Sie sahen sich an. In Jeds Gesicht war nichts weiter als Angst und Schmerz zu erkennen. Max kreischte erneut auf, als eine Horde dünner Gestalten durch die Tür ins Zimmer polterte.
     
    Kyle prallte neben der Kopfseite des Bettes gegen die Wand. Erinnerte sich daran, dass er eine Waffe hatte. Hob den Arm. Das Licht seines Zielscheinwerfers fiel auf Jed, der am Boden lag. Zwei zerfetzte Gestalten hasteten durch den zitternden, dünnen weißen Lichtschein knurrend auf ihre Beute zu. Als Antwort darauf bellte Jeds Pistole und übertönte das Chaos, und dann hörte er auf, sich zu bewegen.
    Max schrie und schoss auf die Dinger, die dicht aneinandergedrängt über den Boden krochen. Verfehlte sie alle. Die Blutsfreunde gruben ihre Klauen in den Teppich und zerrten an Jeds willenlosem Körper, versuchten, ihn mit sich zu schleppen, aus dem Zimmer hinaus, zurück in die Dunkelheit, aus der sie gekommen waren.
    Kyles Fackel beleuchtete ihren Rückzug, aber er konnte nicht rechtzeitig die Waffe auf diese Dinger richten und abdrücken. Sie waren nicht größer als Kinder und zerrten den erwachsenen Mann wie ein Spielzeug über den Teppich. Er tastete seinen Gürtel ab, suchte nach einer weiteren Fackel, musste aber feststellen, dass die anderen drei an Jeds Gurt hingen.
    »Wir müssen hier raus!« Max’ ganzes Gesicht bebte vor Angst, sein blasses, schlaffes Fleisch schien ein Eigenleben entwickelt zu haben. Speichel troff von seiner Unterlippe. Er rannte aus dem Zimmer, ohne sich weiter um Kyle zu kümmern, der gegen die Wand gelehnt dastand, reglos wie eine Art-déco-Stehlampe. Kyle wollte ihm nachrufen. »Max …« Es klang wie ein jämmerliches Wimmern.
    Max trampelte draußen den Korridor entlang, auf der Flucht in die Eingangshalle, direkt hinein in einen wild durcheinanderschnatternden Chor schriller Vogelstimmen. Mehrere Schüsse waren kurz hintereinander zu hören. Dumpfes Flattern folgte der dröhnenden Pistolensalve.
    Kyle ging zur Tür und richtete den Zielscheinwerfer seiner Waffe nach rechts. Dort im Halbdunkel sah er herumwühlende
Gliedmaßen und rötlich feuchte Klauen, die sich laut klatschend über die erbeutete Nahrung hermachten, über Jed. Eine fleckige Fratze hob sich aus dem Durcheinander und starrte Kyle aus vertrockneten Augen in einem pergamentartig umhüllten Schädel an. Sie zischte laut auf, bevor sie den modrigen Kopf wieder senkte und auf dem blutgetränkten Teppich mit ihrem grausigen Werk fortfuhr.
    Kyle sah nach links. Folgte dem dünnen Strahl des Scheinwerfers und hielt die Luft an. Die gesamte Lobby sah aus wie eine Live-Übertragung aus dem innersten Kreis der Hölle, alles konzentriert in einem einzigen Lichtkegel: An den Wänden hingen zerfledderte Gestalten, sie krochen in Massen über den Fußboden und hangelten sich die Decke entlang. Mit fauligen Zähnen, gelblich-weißen Augäpfeln ohne Iris, die inmitten zuckender Fratzen irre in den Höhlen rollten, strebten sie alle der einen Stelle zu, wo Max noch immer panisch versuchte, sie sich mit Pistolenschüssen vom Leib zu halten. Kyle senkte seine Lampe, und die Lobby wurde in Dunkelheit gehüllt.
    In seinem Kopf schrie etwas: Raus! Raus! Raus! Er musste unbedingt aus diesem Haus flüchten. Aber wie? Er ging auf der Türschwelle in die Hocke und musste alle Kraft zusammennehmen, um nicht in hysterisches Geschrei auszubrechen oder unkontrolliert loszurennen, mitten hinein in dieses mörderische Gewusel morscher Knochen. Er zog die Kamera aus seinem Rucksack, wählte den Modus »Nachtaufnahme« und schaltete den Scheinwerfer aus. Welche Richtung? Er schwenkte die Kamera durch den Raum und schaute in den Sucher, um Jeds Überreste in Augenschein zu nehmen.
    Das Bild im Sucher war grün und sah aus wie bei einer Unterwasseraufnahme, nur hier und da waren milchige Flecken zu sehen. Er entdeckte einen weiteren Blutsfreund, der vom anderen
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