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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Winters
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ich fragen soll, was ich sonst noch wissen muss. »Haben Sie eine Ahnung, Sir, woher Peter die blauen Flecken hatte?«
    »Was?«
    »Unter seinem Auge?«
    »O ja. Ja, er hat gesagt, er sei die Treppe runtergefallen. Vor ein paar Wochen, glaube ich?«
    »Die Treppe runtergefallen?«
    »Das hat er gesagt.«
    »Okay.«
    Ich schreibe es auf, sehe die ersten undeutlichen Umrisse des Verlaufs meiner Ermittlungen vor mir und spüre diese Adrenalinstöße, die mir das rechte Bein heraufschießen und es dort, wo es über dem linken liegt, ein bisschen zum Wippen bringen.
    »Letzte Frage, Mr. Gompers. Wissen Sie, ob Mr. Zell Feinde hatte?«
    Gompers reibt sich das Kinn mit dem Handballen, sein Blick wird scharf. »Feinde, sagen Sie? Sie denken doch nicht etwa, dass jemand den Burschen umgebracht hat, oder?«
    »Nun ja. Vielleicht. Wahrscheinlich nicht.« Ich klappe mein blaues Buch zu und stehe auf. »Kann ich bitte seinen Arbeitsplatz sehen?«
    Der plötzliche Adrenalinstoß, der mir während des Gesprächs mit Gompers das Bein heraufgeschossen ist, hat sich jetzt in meinem ganzen Körper ausgebreitet, und er hält an, wandert durch meine Adern nach oben, erfüllt mich mit einem seltsamen, elektrisierenden Hunger.
    Ich bin Polizist – das, was ich immer sein wollte. Sechz ehn Monate lang war ich bei der Streife. Ich habe fast au sschließlich in der Nachtschicht gearbeitet, fast ausschließlich im Sektor eins, bin die Loudon Road vom Walmart am einen zur Überführung am anderen Ende entlanggefahren. Sechzehn Monate lang bin ich auf meiner sieben Kilometer langen Strecke hin und her patrouilliert, von acht Uhr abends bis vier Uhr morgens, habe Schlägereien beendet, Betrunkene verscheucht, Bettler und Schizophren e vom Parkplatz des Market-Basket-Supermarkts vertrieben.
    Ich fand es toll. Sogar im letzten Sommer, als alles ein bisschen aus dem Ruder lief, neue Zeiten, und dann im Herbst, als die Arbeit immer schwerer und ständig seltsamer wurde. Ich fand es trotzdem toll.
    Seit meiner Beförderung zum Detective bin ich jedoch wie benebelt von einem frustrierenden, namenlosen Gefühl, einer Unzufriedenheit, einem Gefühl von Pech und schlechtem Timing. Nun habe ich den Job, den ich immer wollte und auf den ich mein Leben lang gewartet habe, und er ist eine Enttäuschung für mich, oder ich bin eine für ihn.
    Und jetzt, hier und heute, endlich dieses elektrisierende Gefühl, das in meinen Pulspunkten kribbelt und langsam schwächer wird, und ich denke: Heiliger Bimbam, das könnte es sein, das könnte es wirklich sein.
    »Wonach suchen Sie überhaupt?«
    Es ist eher ein Vorwurf als eine Frage. Ich wende mich von dem ab, was ich gerade mache, nämlich methodisch Peter Zells Schreibtischschubladen zu durchsuchen, und sehe eine kahlköpfige Frau in einem engen schwarzen Roc k und einer weißen Bluse. Es ist die Frau, die ich beim McDonald’s gesehen habe, diejenige, die auf die Tür des Restaurants zukam und dann umkehrte, wieder mit dem Parkplatz verschmolz und verschwand. Ich erkenne ihren blassen Teint und die tiefschwarzen Augen, obwohl sie heute Morgen eine knallrote Wollmütze trug und jetzt unbemützt ist; in ihrer glatten weißen Kopfhaut spiegelt sich das grelle Licht der Deckenlampen von Merrimack Life and Fire.
    »Ich suche nach Anhaltspunkten, Ma’am. Eine Routineuntersuchung. Ich bin Detective Henry Palace vom Concord Police Department.«
    »Nach Anhaltspunkten wofür?«, fragt sie. Die Nase der Frau ist gepierct, ein Nasenflügel, ein einzelner dezenter goldener Knopf. »Gompers sagt, Peter hätte Selbstmord begangen.«
    Ich antworte nicht, und sie kommt ganz in das kleine, stickige Büro herein und schaut mir bei der Arbeit zu. Sie sieht gut aus, diese Frau, klein, markante Züge und selbstsicher, vielleicht vierundzwanzig, fünfundzwanzig Jahre alt. Ich frage mich, was Peter Zell wohl von ihr gehalten hat.
    »Tja«, sagt sie nach etwa dreißig Sekunden. »Gompers sagt, ich soll rausfinden, ob Sie irgendwas brauchen. Brauchen Sie irgendwas?«
    »Nein, danke.«
    Sie mustert mich und schaut um mich herum, auf meine Finger, die in den Schubladen des Toten wühlen. »Verzeihung, was haben Sie gesagt, wonach Sie suchen?«
    »Ich weiß es noch nicht. Der genaue Ablauf einer Untersuchung lässt sich nicht im Voraus festlegen. Jede Information führt zur nächsten.«
    »Ach ja?« Als die junge Frau die Augenbrauen hochzieht, erscheinen zarte Furchen auf ihrer Stirn. »Klingt, als würden Sie aus einem Handbuch
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