Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: James Fenimore Cooper
Vom Netzwerk:
sah man doch an der Weise, wie die Versammelten ihre Häupter erhoben, dass sie die Töne mit einer Aufmerksamkeit verschlangen, so gespannt, wie sie bisher nur Tamenund zuteil geworden war. Sie horchten aber vergeblich. Der Gesang wurde gerade so laut, um vernehmbar zu werden, dann immer schwächer und zitternder, bis er dem Ohre völlig entschwand, als würde er von einem flüchtigen Windhauch davongetragen. Die Lippen des Sagamoren schlossen sich, und er blieb schweigend sitzen, mit seinem starrblickenden Auge und der regungslosen Gestalt einem Wesen gleich, das der Allmächtige nur mit dem Bilde, aber nicht mit dem Geiste eines Menschen begabt hatte. Die Delawaren, welche an diesem Zeichen erkannten, dass ihr Freund noch nicht zu einer so mächtigen Erhebung des Geistes fähig sei, ließen ihre Aufmerksamkeit sinken und schienen in angeborenem Zartgefühl alle ihre Gedanken nur auf das Leichenbegängnis des fremden Mädchens zu richten.
    Einer der älteren Häuptlinge gab den Frauen ein Zeichen, die in der Nähe von Coras Leiche standen. Dem Winke gehorchend, erhoben die Mädchen die Bahre zu der Höhe ihrer Häupter und schritten langsam und regelmäßig vorwärts, einen zweiten Klagegesang zum Preise der Verstorbenen anstimmend. Gamut, welcher ihre ihm so heidnisch dünkenden Gebräuche beobachtet hatte, beugte jetzt sein Haupt über die Schulter des besinnungslosen Vaters und flüsterte:
    »Sie nehmen die Überreste deines Kindes auf: Wollen wir ihnen nicht folgen und auf ein christliches Begräbnis bedacht sein?«
    Munro fuhr auf, als hätte die letzte Posaune in sein Ohr geklungen, und warf einen hastigen, ängstlichen Blick um sich her; dann erhob er sich und folgte dem einfachen Zuge mit der Miene eines Soldaten, aber mit dem ganzen Gewicht des Vaterschmerzes. Seine Freunde drängten sich mit einem Ausdruck des Kummers um ihn her, der zu stark war, um Mitgefühl genannt zu werden. Selbst der junge Franzose schloss sich an, offenbar lebhaft ergriffen von dem frühen und traurigen Ende eines so liebenswürdigen Wesens. Als aber die letzten und niedrigsten Weiber des Stammes dem anscheinend regellosen und doch geordneten Zuge sich angereiht hatten, schlossen die Männer der Lenapen den Kreis um Uncas Leiche wieder so ernst, so würdevoll, so regungslos wie zuvor.
    Die Stelle, welche sie zu Coras Grab gewählt hatten, war ein kleiner Hügel, wo ein Kreis junger, gesunder Fichten Wurzel gefasst hatte, deren Schatten nur ein melancholisches, so wohl geeignetes Dämmerlicht gestattete. An dem Platze angekommen, setzten die Mädchen ihre Last nieder und warteten mit der ihnen eigentümlichen Geduld und mit angeborener Schüchternheit auf irgendein Zeichen der Zustimmung von denen, deren Gefühle bei diesen Anordnungen am meisten beteiligt waren. Endlich sprach der Kundschafter, welcher allein ihre Gebräuche verstand, in ihrer Mundart:
    »Was meine Töchter getan haben, ist gut; die weißen Männer danken ihnen.«
    Zufrieden mit diesem Zeugnis, schickten sich die Mädchen an, die Leiche in eine Art Sarg, kunstvoll und nicht ohne Geschmack aus Birkenrinde gefertigt, zu legen, und senkten sie dann in die finstere, letzte Behausung hinab. In derselben schlichten Weise und ebenso stumm wurde die Leiche bedeckt, und die Spur der frischen Erde mit Blättern und anderen Hüllen, wie sie die Natur und die Gewohnheit an die Hand gaben, verborgen. Als die Arbeit dieser freundlichen Kinder der Natur, die eine so traurige Pflicht so liebevoll erfüllt hatten, vollendet war, zögerten sie, um zu zeigen, dass sie nicht wüssten, wie sie weiter fortfahren sollten. Jetzt wandte sich der Kundschafter wieder mit den Worten an sie:
    »Meine jungen Weiber haben genug getan«, sprach er, »der Geist eines Blassgesichtes bedarf keiner Speise noch Kleidung. Sie haben, was sie in dem Himmel ihrer Farbe bedürfen. Ich sehe«, fuhr er fort, einen Blick auf David werfend, der eben mit seinem Buche beschäftigt war und die Absicht verriet, einen heiligen Gesang einzuleiten, »dass einer reden will, der die christlichen Gebräuche besser kennt als ich!«
    Die Mädchen, welche bisher eine Hauptrolle gespielt hatten, traten nun bescheiden beiseite, ruhige und aufmerksame Zuschauerinnen bei dem, was folgte. Während David auf die angedeutete Weise die frommen Gefühle seines Herzens ergoss, entschlüpfte ihnen kein Zeichen der Überraschung, kein Blick der Ungeduld. Sie lauschten vielmehr gleich denen, welche den Sinn der fremden Worte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher