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Der letzte Kuss

Der letzte Kuss

Titel: Der letzte Kuss
Autoren: Phillips Carly
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nichts aus ihr machte, hatte sie immer etwas bedeutet.
    Ein Leben lang hatte Charlotte ihr Verhalten zu Männern und ihren Umgang mit ihnen – solchen wie Russell und ruhelos Herumziehenden wie Roman Chandler – der Verlassenslüge angepasst, die ihre Eltern aufrechterhalten hatten. Doch Russell Bronson war nicht der, für den Charlotte ihn gehalten hatte. Er war gewiss egoistisch und hatte auch sonst seine Fehler, aber er liebte ihre Mutter. Das wenigstens musste sie anerkennen. Selbst, wenn er mehr hätte tun können, um Annie und seiner Tochter zu helfen, so konnte er sich doch nicht sein ganzes Leben lang im Namen der Liebe aufopfern.
    Charlotte würde das nicht einmal von Roman verlangen. Jetzt nicht mehr. Ihn zu bitten, in Yorkshire Falls zu bleiben, war genauso egoistisch, wie Russell es auf seine Weise gewesen war. Roman hatte etwas Besseres von ihr verdient.
    Eigentlich war es die reine Ironie. Roman war nicht der Mann, wie er in ihrer Vorstellung existent gewesen war. Sie hatte Roman als den Wandervogel ohne Gefühle sehen wollen, als den leichtsinnigen Junggesellen, der nur an sich selber dachte. Sie hatte ihn so haben wollen, weil sie damit eine Begründung hatte, ihn innerlich auf Abstand zu halten, um zu verhindern, dass sie selbst so verletzt wurde, wie es nach ihrer Vorstellung ihrer Mutter ergangen war.
    Jetzt brauchte sie ihn, wie er wirklich war.
    Sie kuschelte sich tiefer in ihr Bett, zog die Decke hoch
und gähnte. Die Liebe ermutigt einen, alle Sicherheitsnetze wegzulassen, fiel ihr ein. Nach ihrem heutigen Sinneswandel würde sie morgen den Sprung wagen, ohne die Garantie, auch weich zu landen.
    Irgendwann musste Charlotte dann doch eingenickt sein. Bei Tagesanbruch wurde sie von der Sonne geweckt, die ihr ins Gesicht schien. Sie hatte zum ersten Mal seit einer Ewigkeit gut geschlafen, und als sie die Augen öffnete, spürte sie einen unerwarteten Adrenalinstoß. Sie duschte, aß einen Becher Pfirsichjoghurt und entschied danach, dass es spät genug sei, um Rick anzurufen.
    Er nahm sofort den Hörer ab. »Rick Chandler zu Ihren Diensten.«
    »Na, da ist ja einer gut gelaunt«, bemerkte Charlotte.
    »Jawohl, das kommt von einem guten Trainingslauf. Was ist los, Charlotte? Ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, antwortete sie und dachte dabei an ihren Entschluss, Roman aufzuspüren. »Und nein«, murmelte sie, als ihr einfiel, dass sie Rick von Samson berichten, ihm aber auch das Versprechen abnehmen musste, den harmlosen Mann zu schützen und nicht anzuzeigen. »Ich muss mit dir reden.«
    »Du weißt, dass ich immer Zeit für dich habe, aber momentan bin ich schon halb aus der Tür. Ich muss zu Besprechungen nach Albany und werde erst später zurück sein.«
    Sie war ziemlich enttäuscht. Jetzt, da sie sich entschlossen hatte, wollte sie auch aktiv werden.
    »Wie wäre es, wenn ich auf dem Heimweg bei dir vorbeischaue? Das wäre so gegen sieben Uhr.«
    Sie klemmte sich das Telefon hinters Ohr und wusch ihren Löffel ab, während sie ihr Tagesprogramm überdachte. »Heute ist Sponsorenabend. Ich soll beim Spiel der Rockets
den feierlichen ersten Wurf machen.« So gern sie auch den ganzen Tagesplan aufgegeben hätte und so schnell wie möglich zu Roman gefahren wäre, konnte sie die Kinder nicht enttäuschen. Sie wollte es auch nicht.
    Was sie Rick sagen wollte, konnte nicht in der Öffentlichkeit geschehen und musste deshalb bis abends warten. »Warum kommst du nicht nach dem Spiel bei mir vorbei?«, schlug sie vor.
    »Das klingt nach einem Plan. Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
    Sie verdrehte die Augen. »Kannst du wohl aufhören, mich das dauernd zu fragen? Du klingst langsam wie der große Bruder, den ich nie hatte.«
    »Na ja, ich hab’s versprochen.«
    »Du hast was versprochen?« Schmetterlinge begannen in ihrem Bauch herumzuflattern. Und wem?
    Schweigen in der Leitung. »Komm schon, Rick … Was hast du damit gemeint?«
    Er räusperte sich. »Gar nichts. Nur dass es mein Job ist, darauf zu achten, dass du okay bist.«
    Sein Job als Bulle oder sein Job als Bruder? Diese Frage stellte sie sich. Hatte Roman Rick ein Versprechen abgenommen, ehe er abfuhr?
    »Also, mir geht es gut.« Sie akzeptierte Ricks unklare Antwort, so neugierig sie auch war. Sie würde niemals annehmen, dass ein Chandler-Bruder den anderen verriet.
    »Bis heute Abend.«
    »Gut. Fahr vorsichtig.« Charlotte legte auf und atmete durch. Einen langen Arbeitstag und sieben Durchgänge beim Baseball musste sie hinter
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