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Der Lauf-Gourmet

Titel: Der Lauf-Gourmet
Autoren: Achim Achilles
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Zeichen Widder.
Getrunken: eine Tasse Kräutertee.
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Hackfleischkrümel als letzte Rettung
    Armer Achim. Schon die dritte Woche seiner Diät darbt der Wunderläufer. Während der Körper entsäuert, füllt sich die Sportlerseele mit Bitternis. Derzeitiges Hassgetreide: Dinkel. Nebenwirkung: eine flirtende Waldorf-Lehrerin im Biosupermarkt.
     
     
    Gestern habe ich den letzten Joghurt zum Sondermüll gegeben. Der Schimmel hatte das Glas ausgekleidet, vom Rest der Welt vergessen wie Rudolf Hess dämmerte die Dezemberware in der letzten Ecke des Kühlschranks vor sich hin.
    Joghurt gehört zu den Lebensmitteln aus meinem alten Leben, als noch keine Läuferdiät mein Leben trübte: Jetzt ist alles von Kuh und Schwein verboten, Weizenartiges und Zucker sowieso. Die Kinder bestehen inzwischen darauf, die Mahlzeiten ohne mich einzunehmen, weil ich so gierig auf ihre Nudeln starre. Manchmal klaute ich heimlich Hackfleischkrümel von ihren Tellern. Weil Training nicht hilft, wird der Läuferleib zu Beginn der neuen Saison einer hammerharten Schrumpfkur unterzogen, die den krankhaft übersäuerten Lotterleib in ein federleichtes, basisches Hochleistungssystem verwandeln soll. Die Säuernis, die dem Körper entweicht, legt sich allerdings umgehend auf die Seele. Das basische Leben, obgleich von Paracelsus wie Doktor Strunz gleichermaßen propagiert, richtet mentale Verwüstungen an. Seitdem ich meinen Läuferkörper überwiegend mit Gemüse und Dinkel und nur an Feiertagen mit einer Messerspitze Fisch befülle, dringe ich in Untiefen vor, die ich niemals hatte kennenlernen wollen. Wenn der Speiseplan vorwiegend aus Dingen besteht, mit denen man nicht mal seine ärgsten Laufrivalen bewerfen würde, sind Bestleistungen schlicht nicht möglich - oder doch? Die zwei Kilogramm weniger helfen immerhin beim Sprung in
die Winterlaufhose, deren Nähte bislang ziemlichen Zerreißproben ausgesetzt waren.
    Selbst wenn der frugale Fraß tatsächlich meinen Dinkelturbo anwerfen sollte, ist der Weg dorthin doch mit Erniedrigungen gepflastert. Zum Beispiel der Besuch im Bio-Supermarkt, idealerweise kurz vor Ladenschluss, wenn niemand mehr in meinen weidengewirkten Einkaufskorb lugen kann: Dinkelflocken, Dinkelnudeln, Dinkelbrot - fehlt nur noch Dinkelwodka. Hatten wir nicht sogar mal einen Außenminister, der Dinkel hieß?
    Dinkel soll ja ein Zauberzeug sein, wie gemacht für den menschlichen Körper, weil schon die Neandertaler ihre Semmeln daraus buken. Der Weizen dagegen kam vergleichsweise spät auf den menschlichen Speiseplan, weshalb die Darmzotten noch heute rebellieren. Dinkel ist der Landrover unter den Getreiden, der kommt überall durch, Weizen dagegen ist ein Alfa Romeo, der überall liegen bleibt. Also mit Weizen geizen, was bedeutet, dass man beim deutschen Kettenbäcker schlichtweg verhungert. Tatsache ist: Man nimmt nicht wegen des Dinkels ab, sondern weil er so schlecht zu verdauen ist.
    Die Verdinkelung des Lebens führt zu seltsamen neuen Freundschaften. Will man wirklich ein verschwörerisches Augenzwinkern von der pensionierten Waldorf-Pädagogin einheimsen, die an der Kasse des Bio-Supermarkts mit drei Fenchelknollen, einer Flasche Möhrensaft und zwei Litern linskdrehenden Marienwassers vor einem steht? Andererseits: Ein schneller Flirt hätte seinen Reiz, vor allem wegen des Karottensafts. Ich könnte meinen Trainingsplan tanzen, um die Dame esoterisch zu betören. Ich starre auf den ausgeprägten Damenbart der Kassiererin.
    Ich würde sogar mit ihr ins Kino gehen, wenn ich nicht mehr diesen Schleim zum Frühstück essen müsste. Wer jemals Dinkelflocken mit heißem Wasser in den basenfrohen Magen gedrückt hat, der würde lieber plattgetretene Energieriegel mit den Zähnen von der Marathonstrecke nagen. Dafür schmeckt der basische Tee wie ein aufgebrühter Adventskranz - Kerzenreste inklusive.

    Neulich habe ich meiner Familie mal wieder ein Abendessen bereitet, eine Läuferpizza auf Dinkelmehlbasis mit Zucchini und einem Hauch von Thunfisch. Der Teig war zu kneten, bis er nicht mehr klebte, so hatte es das Rezept befohlen, dummerweise klebte er aber mit jedem Walken stärker. Erst mit Hilfe einer ordentlichen Portion Weizenmehl ließ sich die Klebe wieder von den Fingern entfernen.
    Nach einer halben Stunde im Ofen war das Ding zwar immer noch weiß, aber dafür hart wie Beton. »Hmmjam, gar nicht so schlecht«, sagte ich, ausgehungert nach drei Wochen Dinkelterror. Mona schüttelte ihren
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