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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten
Autoren: Alexandra von Grote
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Hände umklammerten das Lenkrad des Renaults, bis die Knöchel weiß wurden.
    Er würde diesen Mann umbringen. Wenn er ihn erwischte, würde er ihn töten.
    LaBréa drückte das Gaspedal durch, und der Wagen schoss mit quietschenden Reifen davon.
    Wenig später bog er in die kleine Sackgasse ein, laut Bebauungsplan der Firma Malin & Fils der einzige Zufahrtsweg zum Gelände. Vor dem letzten Haus in der Gasse stellte er den Wagen ab und stieg aus. Er blickte sich um. Von seinen Mitarbeitern war noch niemand eingetroffen.
    Er würde nicht auf sie warten, sondern sich gleich auf dem angrenzenden Gelände umsehen.
    Es war eine stockfinstere Nacht. Die Sterne, die sich einige Stunden zuvor zaghaft am Himmel gezeigt hatten, waren hinter einer dichten Wolkenwand verschwunden. Es sah aus, als würde es bald erneut regnen. LaBréa hielt seine Taschenlampe griffbereit, als er die Sackgasse hinter sich ließ und ein schlammiges, mit Pfützen bedecktes Terrain betrat. Es schien sehr weitläufig. Auf der linken Seite zeichneten sich die Rohbauten der Häuser ab, die einmal als Mietskasernen von der Firma Malin & Fils geplant gewesen waren. Rechts führte das Gelände bis zu einem großen Bauzaun, der halb eingerissen war. Im Hintergrund entdeckte LaBréa Bäume und Buschwerk, eine undurchdringliche Wand aus Dunkelheit. Ein Bauwagen war nirgends zu sehen. Was hatte er erwartet? Dass der erste Hinweis in Simons Unterlagen ein Treffer sein würde? Nie zuvor hatte LaBréa sich in seinen Ermittlungen auf so dünnem Eis bewegt. Auf der Suche nach Célines Versteck verließ er sich in seiner Verzweiflung auf Spekulation und Intuition, ohne dass auch nur der geringste konkrete Anhaltspunkt vorlag. Eine Métrolinie, einige Anrufe aus öffentlichen Fernsprechern an der Strecke dieser Linie. Das war alles an Fakten.
    Vorsichtig bewegte er sich im Schatten der halbfertigen Hausmauern voran. Nach etwa hundertfünfzig Metern vernahm er ein Geräusch zwischen den Büschen. Bis dahin mochten es weitere fünfzig Meter sein, und die Rohbauten endeten hier. Ein Scheppern, so hörte es sich an. LaBréa blieb stehen, ging in die Hocke und spähte angestrengt in die Dunkelheit. Da war es wieder, das klappernde Geräusch – dann rannte etwas davon, wenige Meter rechts von LaBréas Standort. Eine Katze. In Riesensätzen jagte sie über das Gelände und verschwand durch den defekten Bauzaun ins Nichts.
    LaBréa näherte sich dem dichten Buschwerk. Mit der Taschenlampe leuchtete er den Boden ab und entdeckte eine leere Konservenbüchse. Sie lag auf einer kleinen Schneise zwischen dem Gestrüpp. Daher also das Geräusch! Auf der Suche nach Fressen hatte die Katze die Büchse untersucht. LaBréa hob sie auf. Im Schein der Taschenlampe las er das Etikett: Cassoulet complet. Er hielt sich die Büchse an die Nase und schnüffelte daran. Sie roch schwach nach Eintopfgericht. Vorherrschend jedoch war ein anderer Geruch: der nach Urin. Er drehte die Büchse um, und ein Rest Flüssigkeit lief über den Rand auf die Erde.
    Plötzlich lief es LaBréa eiskalt über den Rücken. Seine innere Alarmglocke schrillte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wie kam eine leere Cassouletdose hierher, die stark nach Urin roch? Katzenpisse konnte es wohl kaum sein.
    Immer näher schlich er sich an die Büsche heran und spähte schließlich durch die vordersten Zweige. Die Taschenlampe hatte LaBréa vorsichtshalber ausgeschaltet. Dennoch konnte er jetzt ein Auto sehen, das gut getarnt im Unterholz stand. Auch ohne die Farbe des Wagens erkennen zu können, wusste er, dass er den Fluchtwagen des Geiselnehmers gefunden hatte. Er wandte sich nach rechts. Der Weg durchs Gebüsch machte eine scharfe Kurve, und da entdeckte er ihn plötzlich, den alten Bauwagen, den die Firma Malin & Fils hier vor Jahren hatte stehen lassen.
    Franck, Claudine und Jean-Marc verließen ihre Beobachtungsposten an den jeweiligen Métrostationen. Mit einem Streifenwagen, den Claudine vom nahe gelegenen Präsidium angefordert hatte, rasten sie im Schein des Blaulichts zu dem alten Baugelände im 20. Arrondissement. Claudine hatte unterwegs zuerst Franck an der Place de la République aufgelesen, und anschließend Jean-Marc an der Station Pyrénées. Während der Fahrt erhielt Franck einen Anruf von Fourès, dem Leiter des Drogendezernats.
    »Wir haben heute Nacht ein Meth-Labor im 20. Arrondissement ausgehoben. Nur falls es euch interessiert: Auf dem Handy des Typen fanden wir die Nummer von eurem Mordopfer in
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