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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis
Autoren: Brigitte Riebe
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ihr Fleisch. Er hatte den Mund mit den bräunlichen Zahnstumpen weit aufgerissen, als würde er sie am liebsten verschlingen. Sein Atem roch nach Kraut und Zwiebeln; Spucke rann ihm über das Kinn.
    Keiner der beiden Männer machte Anstalten, Miu zu Hilfe zu kommen. Und wenn er als Nächstes seine Reptilien auf sie hetzte?
    Sie stieß einen Schrei aus, denn jemand packte sie von hinten, und auch ihr Angreifer wurde von einem untersetzten Mann mit leuchtend blauer Schärpe von ihr weggerissen.

    »Raufereien auf dem Markt sind verboten«, hörte sie eine Stimme sagen, die ihr nur allzu vertraut war. »Das dürfte doch jedem bekannt sein!«
    Ani, ausgerechnet Ani! Röte schoss in ihr Gesicht und sie wünschte sich nur noch weit, weit weg.
    »Was machst du denn hier, Miu?«, rief er.
    Mit einem Mal schien ihr Mund sich mit zu vielen Wörtern zu füllen, ein zäher, klebriger Brei, der ihr das Antworten unmöglich machte.
    Ani schien es nichts auszumachen. Er wandte sich an den Schlangenbeschwörer.
    »So ein großer, starker Kerl wie du gegen ein hilfloses Mädchen - dass du dich nicht in Grund und Boden schämst! Noch ein einziges Mal etwas in dieser Art, und du betrittst den Markt nie wieder, dafür werde ich sorgen, verstanden?«
    Der Schlangenbeschwörer nickte hastig. Seine beiden Kunden hatten inzwischen das Weite gesucht.
    »Was soll jetzt mit der Kleinen geschehen?« Sein bulliger Kollege, ebenfalls von der Flusspolizei, wie seine blaue Schärpe zeigte, in der ein schmaler Dolch steckte, musterte Miu neugierig. »Wieso setzt du dich eigentlich so für sie ein? Kennst du sie etwa näher?«
    »Das will ich meinen. Und lass dein anzügliches Grinsen. Miu gehört zur Familie.« Sein Blick war besorgt. »Ich bringe sie jetzt am besten nach Hause.«
    Vorsichtig schaute sie auf zu dem jungen Medjai*, der ihr früher so vertraut wie ein großer Bruder gewesen war. Doch in letzter Zeit wusste sie nicht mehr genau, was sie fühlen sollte, wenn sie ihm begegnete. Manchmal träumte sie sogar von ihm, und es fühlte sich gut an, diese nächtlichen Bilder noch ein Stück weit hinein in den Tag zu
tragen, damit Ani wenigstens auf diese Weise ein Weilchen länger bei ihr blieb. Jetzt gerade war es allerdings pure Verlegenheit, die sie in seiner Gegenwart durchflutete.
    »Musst du nicht«, stieß sie hervor. »Ich kann ebenso gut allein gehen.«
    »Keine besonders gute Idee«, erwiderte Ani. »Komm schon, Miu, ich hab schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Es blieb ihr nichts anderes übrig, als neben ihm herzutrotten, erneut wortlos, weil sie sich nun erst recht schämte. Er ging schnell und gab sich Mühe, das linke Bein dabei nicht allzu sehr nachzuziehen, aber sein Hinken fiel ihr dennoch auf. Der Feldzug nach Kusch* im Heer des Pharaos hatte ihn innerlich wie äußerlich verwandelt.
    Wie erwachsen er binnen Kurzem geworden war!
    Raia sagte, der kalte Atem des Anubis habe ihn gestreift. Auch wenn Ani niemals darüber redete - von dem großen, unbekümmerten Jungen, der heimlich von zu Hause fortgelaufen war, um Soldat zu werden, war jedenfalls nicht mehr viel übrig.
    »Willst du mir nicht endlich sagen, was wirklich los war?«, fragte er nach einer Weile. »Du bist doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Was hattest du auf dem Markt zu suchen, in aller Früh und auch noch mutterseelenallein?«
    Sie schielte schräg nach oben, was ihm natürlich nicht entging. Genauso hatte sie ihn immer angeblinzelt, wenn sie ihn zu etwas herumkriegen wollte, früher, als sie beide noch Kinder gewesen waren. In seine Augen kam ein winziges Lächeln, und Miu begann, sich ein wenig zu entspannen. Schließlich war Ani Polizist - und vielleicht genau der Zuhörer, den sie so dringend brauchte!

    »Ich hab da zufällig etwas gehört, nein, eher aufgeschnappt«, sagte sie. »Sie wollen den Pharao töten. Zwei Männer, aber vielleicht sind es ja sogar noch mehr.«
    » Das haben sie gesagt?« Sein Lächeln war verschwunden.
    »Natürlich nicht. So unvorsichtig würde doch niemand sein. Sie haben es umschrieben, aber so, dass man es sofort versteht, wenn man sich einigermaßen auskennt.« Miu runzelte die Stirn und strengte sich an, den Tonfall des Gehörten so exakt wie möglich wiederzugeben: »Der Falke ist zum Himmel geflogen …«
    Er reagierte kaum, jedenfalls nicht so, wie sie es erwartet hatte. Und plötzlich wusste sie auch, weshalb. Bei den Krallen des Seth* - aus schierer Aufregung hatte sie sich versprochen!
    »Der Falke muss zum
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