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Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Titel: Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
Autoren: Michael Cordy
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sagen.« Als Schrotflinte zur Tür geht, sieht Nathan, dass er das gleiche Tattoo hat wie sein Kumpan: eine Kobra, die sich um ein seltsam geformtes Kruzifix schlängelt.
    » Was ist mit denen da?«, fragt Pistole plötzlich und dreht sich zu Nathan und seiner Familie um, die noch immer wie aufgereiht dastehen: erst Mama, dann Papa, Alice und er.
    Schrotflinte öffnet achselzuckend die Tür. » Wir haben das eine Schwein kaltgemacht, dann können wir auch die anderen abmurksen. Ich mach den Wagen startklar.« Als Pistole die Waffe hebt und die Muskeln in seinem Unterarm spannt, starrt Nathan wie gebannt auf das Schlangentattoo, das jetzt zum Leben erwacht.
    » Sie müssen das nicht tun«, fleht Nathans Vater mit eindringlicher Gelassenheit. » Ich bin Arzt. Vielleicht kann ich den Mann noch retten …«
    Pistoles Hand zittert, und die Kobra fängt an zu tanzen. » Maul halten«, knurrt er. » Du kannst niemanden retten. Du bist nicht mal’n Furz in der Hölle wert. Ihr seid nicht auserwählt. Ihr gehört nicht zu uns. Ihr seid nichts als Schweine.« Und dann sieht Pistole den Jungen direkt an. Trotz der Kapuze fällt ein Lichtstrahl auf die geweiteten Pupillen in den blutunterlaufenen Augen des Mannes, und Nathan weiß: Er wird sie alle töten. Das Comicbuch gleitet aus seinen tauben Fingern zu Boden, und instinktiv dreht er sich zu seiner Mutter …
    Da knallt der erste Schuss.
    Der Junge spürt, wie die Kugel ihn trifft.
    Spürt den brennenden, unerträglichen Schmerz.
    Dann nichts mehr.
    Als er wieder zu Bewusstsein kommt, kniet ein junger Polizist neben ihm. Auf dem Abzeichen seiner marineblauen Uniform steht » Portland Police«.
    » Na komm, mein Junge. Du kannst sie jetzt loslassen. Wir kümmern uns um sie. Komm mit mir.«
    Wie in einem grässlichen Albtraum schaut Nathan an sich hinab und sieht, dass er Alice in seinem Schoß hält. Ihre Augen starren zu ihm herauf, aber sie sind so leblos wie die einer Puppe. Sie hat eine Schusswunde in der Brust, einen tiefen schwarzen Brunnen aus Blut. Dann erinnert er sich an ihren Streit im Auto und ihm wird schlecht. » Das ist meine Schwester«, sagt er benommen.
    Er will nach seinen Eltern sehen, aber der Polizist zieht ihn auf die Füße. » Schau nicht hin, mein Junge. Glaub mir, es ist besser so.« Er untersucht den blutverschmierten Jungen, aber das Blut ist nicht von ihm. » Du bist nicht verletzt. Wieso bist du nicht verletzt?« Nathan spürt den beinahe anklagenden Unterton in der Ungläubigkeit des Polizisten. Er selbst ist kein bisschen erleichtert, weil er nicht verwundet wurde, nur verwirrt.
    Wieso ist er noch am Leben?
    » Komm mit«, sagt der Polizist und öffnet die Tür. » Für deine Familie kannst du nichts mehr tun, aber wenigstens bist du jetzt in Sicherheit.« Das Läuten der Türglocke lässt den Jungen zusammenfahren. Draußen hat sich eine kleine Menschenmenge um die Polizeiwagen mit ihren hellen Blaulichtern versammelt. Benommen und vom grellen Licht geblendet, bleibt Nathan stehen und blinzelt. Er hört seinen Namen und schaut in die Richtung, aus der die vertraute Stimme kam. Als er jemanden auf ihn zulaufen sieht, glaubt er für einen kurzen, wunderbaren Moment, seine Mutter habe überlebt. Dann erkennt er, dass es ihre Schwester ist, Tante Samantha, und das süße Trugbild verlöscht für immer. Sie nimmt ihn in die Arme und drückt ihn ganz fest an sich.
    » Du bist in Sicherheit«, flüstert sie. » Wir werden jetzt für dich sorgen.« Hinter ihr sieht Nathan Onkel Howard. Sein Gesicht ist schneeweiß vor Schreck, und er sieht wütend aus.
    Der Polizist beugt sich ganz nah an Nathan heran. » Was genau ist da drin passiert, Junge?«
    Nathan vergräbt sein Gesicht im Mantel seiner Tante. Ihr Parfüm erinnert ihn an seine Mutter. » Ich weiß nicht«, antwortet er. » Zwei Männer sind reingekommen. Sie hatten Waffen. Und sie haben den Mann an der Kasse getötet. Aber ich weiß nicht, was dann passiert ist. Ich kann mich nicht erinnern.« Mit großen schmerzerfüllten Schluchzern beginnt er zu weinen. » Ich kann mich an nichts mehr erinnern.«
    » Das ist okay, Nathan«, beruhigt ihn seine Tante. » Das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass du in Sicherheit bist.«
    Aber sie irrt sich. Es ist wichtig. Zu wissen, wie seine Eltern und seine Schwester starben, und zu verstehen, wieso er nicht mit ihnen starb, bedeutet ihm mehr als alles andere auf der Welt.

Erster Teil
    Das Echo der Sterbenden

1
    Portland, Oregon. Neunzehn Jahre
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