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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund
Autoren: Roald Dahl
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sagte ich und hielt den Behälter an dem langen Tragriemen in die Höhe. Rummins warf einen Blick darauf, gab jedoch keine Antwort. Er hatte es sehr eilig, da das Gewitter näher war, das Gewölk schwärzer, die Hitze drückender denn je.
    Mit dem Gasmaskenbehälter begab ich mich zur Tankstelle zurück, wo ich den Nachmittag hindurch blieb, um Kunden zu bedienen. Gegen Abend, als der Regen kam, warf ich einen Blick über die Straße und bemerkte, daß das Heu eingebracht war; es wurde gerade mit einer Plane zugedeckt.
    Nach ein paar Tagen kam der Dachdecker, nahm die Plane herunter und machte statt dessen ein Strohdach. Es war ein tüchtiger Dachdecker, der sich darauf verstand. Sein Strohdach war dicht und regelmäßig, überall gleich schräg, an den Kanten sauber gestutzt, und es war eine Freude, es von der Straße her zu betrachten.

    Alles das kam mir jetzt wieder in den Sinn, als ob es gestern gewesen wäre - das Aufschichten des Heustocks an jenem schwülen Junitag, die gelbe Wiese, der süße Wohlgeruch des Heus, und Wilson, der Soldat, der Tennisschuhe trug, Bert mit seinem Fischauge, der alte Jimmy mit seinem guten Gesicht und dem zahnlosen Mund, und Rummins, der stämmige Wicht, der auf dem Wagen stand und finstere Blicke zum Himmel emporwarf, da er sich wegen des Regens sorgte.
    Und da stand er nun wieder, dieser Rummins, oben auf dem Heustock, mit einem Bündel Deckstroh im Arm, und schaute sich nach seinem Sohn um, dem langen Schlaks, beide reglos, beide wie ein Schattenbild gegen den Himmel, und abermals gab es mir einen Stich in der Magengrube.
    «Los, schneide doch mittendurch», sagte Rummins überlaut.
    Bert stemmte sich auf das lange Messer, daß es knirschte, als er damit etwas Hartes durchsägte. Es war ihm anzumerken, daß ihm das keineswegs behagte.
    Es dauerte mehrere Minuten, bis das Messer hindurch war. Dann hörte man wieder das leisere Geräusch, als die Klinge dürres, dichtes Heu zertrennte, und Bert sah seitwärts zu seinem Vater auf, mit einem erleichterten Grinsen.
    «Los, schneide einen Ballen heraus», sagte Rummins, der immer noch unbeweglich dastand.
    Bert machte einen zweiten senkrechten Einschnitt, ebenso tief wie der erste; dann stieg er herunter und zerrte an dem Ballen Heu, so daß er wie ein Stück Kuchen aus dem übrigen Stock herauskam und zu seinen Füßen in den Wagen fiel.
    Da schien der Junge plötzlich wie erstarrt; mit aufgerissenen Augen schaute er auf die soeben freigewordene Stelle im Heustock, als wolle er es nicht wahrhaben, was er entzweigeschnitten hatte.
    Rummins, der genau wußte, was es war, hatte sich abgewandt und kletterte auf der andern Seite eiligst herunter. Er entfernte sich so schnell, daß er schon durchs Gatter und mitten auf der Straße war, als Bert anfing zu schreien.

HODDY
    Sie stiegen aus dem Auto und traten in den Eingang von Hoddys Haus.
    «Mir schwant, Vater wird dich heute Abend gründlich ausfragen», sagte Clarice leise.
    «Worüber denn, Clarice?»
    «Das Übliche. Berufsaussichten und dergleichen. Und ob du mich erhalten kannst, wie es sich gehört.»
    «Dafür sorgt Jackie», sagte Claud. «Wenn Jackie siegt, brauche ich überhaupt nicht mehr zu arbeiten.»
    «Daß du mir meinem Vater gegenüber ja nichts von Jackie erwähnst, Claud Cubbage, sonst ist alles aus. Wenn es etwas gibt, das er nicht ausstehen kann, dann sind es Windhunde. Vergiß das ja nicht.»
    «O je.»
    «Erzähl ihm etwas anderes, irgend etwas, ganz gleich was, solange es ihm Freude macht, nicht?» Und damit führte sie Claud ins Wohnzimmer.
    Hoddy war Witwer und trug stets eine säuerliche Miene zur Schau; ewige Mißbilligung stand ihm an die Stirn geschrieben. Er hatte die kleinen, eng aneinandergereihten Zähne seiner Tochter Clarice, denselben mißtrauischen, in sich gekehrten Blick, aber nichts von ihrem frischen und lebenslustigen Wesen, nichts von ihrer Wärme. Er war ein kleiner, verschrumpelter, saurer Apfel von einem Menschen, und was ihm an Haaren verblieben war, etwa ein Dutzend schwarze Strähnen, hatte er sich quer über den kahlen Schädel gepappt. Dabei war dieser Hoddy etwas Besseres, er war Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft und trug bei der Arbeit einen makellosen weißen Berufsmantel. So kostbare Waren wie Butter und Zucker gingen massenhaft durch seine Hände; bei allen Hausfrauen im Dorf stand er in hohem Ansehen, ja sie lächelten ihm sogar zu.
    Claud Cubbage war es nie ganz wohl in diesem Haus, und das war genau, wie Hoddy es haben
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