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Der krumme Hund

Der krumme Hund

Titel: Der krumme Hund
Autoren: Roald Dahl
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Dorfstraße entlanggetorkelt, wobei er einen solchen Krakeel vollführte, daß die Leute aus dem Bett stiegen, um zu sehen, was da unten los sei.
    Am nächsten Morgen hatte man ihn entlassen, mit der Begründung, er sei ein liederlicher Trunkenbold und eigne sich nicht für den Umgang mit Kindern auf dem Spielplatz.
    Doch dann trug sich etwas Merkwürdiges zu. Am ersten Tag, an dem er wegblieb, an einem Montag, kam nicht ein einziges der Kinder auch nur in die Nähe des Spielplatzes.
    Auch am nächsten Tag nicht, und am übernächsten.
    Die ganze Woche waren die Schaukeln und Wippen und die Rutschbahn verwaist. Kein Kind ließ sich dort blicken. Statt dessen folgten sie dem alten Jimmy auf eine Wiese hinter dem Pfarrhaus und spielten dort, während er zuschaute; und das Ergebnis war, daß dem Gemeinderat nichts anderes übrigblieb, als ihn wieder in seine Stellung einzusetzen.
    Er hatte sie jetzt noch inne und betrank sich auch jetzt noch, ohne daß jemand etwas dagegen verlauten ließ. Nur ein paar Tage jedes Jahr setzte er aus, zur Zeit der Heuernte. Seiner Lebtag hatte sich der alte Jimmy gerne daran beteiligt, und er gedachte vorläufig noch nicht damit aufzuhören.
    «Willst du eins?» fragte er jetzt und hielt Wilson, dem Soldaten, eine Flasche hin.
    «Nein danke. Ich habe Tee.»
    «Tee soll gut sein, wenn es heiß ist.»
    «Ist er auch. Bier macht mich schläfrig.»
    «Wir könnten zur Tankstelle hinübergehen», sagte ich zu Jimmy, «ich streiche Ihnen da ein paar Stullen. Möchten Sie?»
    «Bier genügt mir. In einer einzigen Flasche Bier ist mehr Nährwert drin als in zwanzig Stullen.»
    Er lächelte mir zu, wobei sich zeigte, daß er keine Zähne mehr hatte; aber es war ein angenehmes Lächeln, und auch das bloße hellrote Zahnfleisch hatte nichts Abstoßendes.
    Eine Weile saßen wir schweigend da. Der Soldat hatte sein Käsebrot aufgegessen, legte sich auf den Rücken und schob den Hut ins Gesicht. Der alte Jimmy hatte drei Flaschen Bier getrunken und bot nun die letzte Claud und mir an.
    «Nein, danke.»
    «Nein, danke. Ich habe an einer genug.»
    Der alte Mann zuckte mit den Achseln, machte die Flasche auf, bog den Kopf zurück und trank, indem er sich das Bier in den offenen Mund laufen ließ, so daß es ohne Geglucker die Kehle hinunterrann. Er trug einen Hut von unbestimmbarer Farbe und Form, der ihm nicht herunterfiel, als er den Kopf in den Nacken warf.
    «Gibt denn Rummins dem alten Gaul nichts zu trinken?» fragte er, als er die Flasche absetzte, mit einem Blick auf den Karrengaul, der dampfend zwischen den Deichseln stand.
    «Rummins? Der nicht.»
    «Pferde haben doch auch Durst, genau wie wir.» Nachdenklich schaute der alte Jimmy zu dem Gaul hin. «Haben Sie einen Eimer Wasser da drüben in Ihrem Laden?»
    «Klar.»
    «Also, was hindert uns, dem alten Pferd zu trinken zu geben?»
    «Eine gute Idee. Geben wir ihm zu trinken.»
    Wir standen beide auf, Claud und ich, und gingen auf das Gatter zu, und ich weiß noch, daß ich mich umwandte und dem Alten zurief:
    «Soll ich Ihnen wirklich keine Stulle bringen? Es dauert nicht lange.»
    Er schüttelte den Kopf, winkte uns mit der Flasche zu und sagte, er werde ein Nickerchen machen. Wir traten auf die Straße hinaus und begaben uns zur Tankstelle hinüber.
    Wir blieben wohl etwa eine Stunde lang weg, da wir Kunden zu bedienen hatten und rasch etwas zu uns nahmen, und als wir schließlich zurückkehrten, mit dem Eimer Wasser, den Claud trug, da fiel mir auf, daß der Heustock mindestens zwei Meter hoch war.
    «Etwas Wasser für den alten Gaul», sagte Claud und schaute Rummins scharf an. Dieser stand auf dem Wagen und gabelte Heu auf den Stock hinüber.
    Das Pferd steckte den Kopf in den Eimer hinein, schlürfte dankbar von dem Wasser und prustete.
    «Wo ist der alte Jimmy?» fragte ich. Wir wollten, daß er das Wasser sehe, da es seine Idee gewesen war.
    Als ich die Frage stellte, zögerte Rummins einen Augenblick, nur einen kurzen Augenblick, mit erhobener Gabel, und schaute umher.
    «Ich habe ihm eine Stulle mitgebracht», bemerkte ich.
    «Der alte Schafskopf hat zuviel Bier getrunken und ist nach Hause gegangen, um zu schlafen», sagte Rummins.
    Ich schlenderte die Hecke entlang bis dorthin, wo wir mit dem alten Jimmy gesessen hatten. Die fünf leeren Flaschen lagen noch im Gras herum, und ebenso der Behälter. Ich hob ihn auf und ging damit zu Rummins zurück.
    «Ich glaube nicht, daß der alte Jimmy nach Hause gegangen ist, Herr Rummins»,
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