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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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Teufel, was der Bursche hier zu suchen hatte, denn außer uns schien weit und breit keine Menschenseele zu sein. Irgendwie wirkte er aufgeregt. Immerhin reichte er mir das Handtuch, und ich verband mich notdürftig.
    „Nun, Sie haben Verständnis, dass ich Sie und Ihre blutüberströmte Hand nun verlassen muss“, murmelte er und schickte sich an, mich aus dem zu vertreiben, was er anscheinend als Heiligtum der Tänzer, Komödianten und Tragöden betrachtete. Es war mir recht, aus meiner peinlichen Lage erlöst zu werden, doch dann fiel mir wieder ein, was mir zu tun aufgetragen war und wie wenig ich im Moment wusste, wie ich mir aus dem Schneider helfen sollte. Ich brauchte ein Alibi; vielleicht mochte sich der Schauspieler an mich erinnern, wenn ihn die Polizei fragte. Andererseits – was konnte ein Schauspieler schon im Gedächtnis behalten außer seinem bisschen Text?
    Die Heeren sagten, ich solle wie Licht sein. Was besagte das? Vielleicht konnte mir der Spaßvogel ja anderweitig behilflich sein. Dann sah ich es – und plötzlich hatte ich die Kontrolle wieder.
    „Ich verstehe“, sagte ich und legte ein Kavalierslächeln auf, während ich auf das Tischchen samt der Champagnerflasche hinter ihm deutete. „Die Hübsche aus der Loge. Ich habe gesehen, wie sie Ihnen zugezwinkert hat.“
    Einen Augenblick erschrak er und schnappte mit weit aufgerissenen Augen nach Luft. Doch dann gab er sich betont ungerührt und winkte ab. „Sie haben es bemerkt? Wer nicht! Sie wissen doch: Heute ist alles Skandal.“
    „Ein Skandal, der Ihrer Schauspielkarriere gewiss ziemlich förderlich ist. Liebling der Frauen und so.“
    „Bei George!“, winkte er ab. „Der Skandal ist ihr wesentlich förderlicher als mir. Ich opfere mich ja nur.“ Beinahe klang sein Wehleid glaubwürdig, doch dann setzte er ein breites Grinsen hinzu. „Sie verstehen also, wenn ich Sie nun bitte ...“
    Der Plan war einfach, ebenso einfach, wie er in meinen Kopf kam. Zack, einfach da. Er war verrückt – hoffentlich verrückt genug, mir aus der Patsche zu helfen. Zögernd tastete ich mich ab, als wolle ich mich meiner Unversehrtheit versichern. Beruhigt stellte ich fest, dass ich Sedgwicks Artefakt noch bei mir trug. Dann krempelte ich meine Ärmel hoch.
    „Ja, ich verstehe. Wenn ich Ihnen diese Bürde nun aber abnehmen könnte ...“ Ich legte den Reif an meinem linken Handgelenk frei. Ein breites, schimmerndes Band mit mehreren Erhebungen, aus dessen Ende die beiden Stutzen des Voltawerfers hervorragten. Diese Stutzen konnte man ein wenig ausfahren, und kamen sie in Berührung mit der Haut eines anderen Menschen, so begann ein starker elektrischer Strom zu fließen. Dieser brachte den Menschen zum Zucken, so dass er in Konvulsionen zu Boden fiel und dort so lange umher zappelte, bis er schließlich, sofern er nicht an einer Herzattacke oder Schlagfluss starb, mit entkräfteten Muskeln zur Ruhe kam.
    Dies erklärte ich dem Schauspieler ruhig und deutlich, denn es war nicht mein Anliegen, unfair zu ihm zu sein. „Wie Sie sich denken können“, fuhr ich mit meinen Erläuterungen fort, „bringt diese zeitweise Lähmung allerlei Folgen mit sich, etwa, dass sich Ihr in Aufregung gebrachter Verdauungstrakt entleert. Es werden schließlich alle außer den stärksten Muskeln gelähmt. Nun, wenn Sie also in einer halben Stunde aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachen, wundern Sie sich nicht über den Geruch. Die Peinlichkeit Ihrer Situation soll Sie übrigens nur hindern, das alles an die große Glocke zu hängen. Eine Garantie Ihrer Diskretion sozusagen. Haben Sie mich verstanden?“
    Etwas ungläubig wackelte er mit dem Kopf, dann begann er zu poltern: „Bei George, Sie sind kein Arzt, Sie sind Komiker!“ Doch ehe er weiter plaudern konnte, zuckte er schon auf dem Boden. Ich stand bei ihm. Seine Atmung setzte kurz aus, doch nach einem festen Tritt auf den Brustkorb erholte er sich wieder und schnaufte wie ein Walross.
    Um meinen kleinen Plan zu komplettieren, köpfte ich die Champagnerflasche auf dem Tisch, schüttete etwas von dem köstlichen Getränk über den Zuckenden und entleerte den Rest in eine Ecke des Raumes, damit es nach einer ordentlichen Feier roch. Dann ging ich einigermaßen wiederhergestellt hinaus ins Foyer.

    Ich musste nicht lange warten, bis sich die Schöne zeigte. Sie war in Begleitung eines Grüppchens Männer, die sie nur flüchtig zu kennen schien, und mäanderte mit ihnen im Schlepptau von hier nach da in doch recht
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