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Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Titel: Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
Autoren: Rene Paul Niemann
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Klappern der Türen zu
einem wirren Gespinst verwoben. Maria war wieder da und fuhrwerkte in der Küche
herum, ließ die Schranktüren schlagen und polterte mit den Stühlen. Besteck
klirrte. Ein kleiner Vogel segelte durchs offene Fenster und landete im
Kochtopf, der auf dem riesigen altmodischen Herd stand. Eine Federwolke stob
auf. Aber Maria merkte nichts und rührte mit dem Holzlöffel die Suppe um,
während sich von draußen eine graue Fratze gegen die Fensterscheibe presste.
Das war die Hexe, sie kicherte. Maria streute seltsame Zutaten in den Topf,
dann knallte es laut, und ein Blitz fuhr ins Dach.
    Wieder ein Knallen.
Xaver Birnbaum schreckte hoch und rieb sich die Augen. Der Himmel über der
trüben Dachbodenluke war düster und schwer geworden. Unten klapperte Maria mit
dem Abwasch, und er fragte sich, wie lange er wohl geschlafen hatte. Halb drei.
Der Zeiger der Uhr bewegte sich noch. Halb drei war gut. Er fuhr sich mit den
Händen durchs Haar, rieb sich den Schlaf aus den Augen und stieg die Treppe
hinunter, mit einem so würdigen Gesicht, als hätte er dort oben einen
Inspektionsgang unternommen.
    »Allmählich wundert mich
gar nichts mehr«, sagte Maria, ohne ihm das Gesicht zuzuwenden. »Ich dachte, du
bist draußen.«
    »Ich muss zuerst sehen,
dass ich jemanden vom Bauernverband antreffe, wegen Saatgut. Den Seppi
vielleicht. Das ist ein umgänglicher Mensch. Oder den Bartl. Wegen
Sommergerste. Das wird noch was, wenn wir Glück haben. Die einzige
Möglichkeit.«
    Maria nickte stumm. Sie
hatte sich verletzt. Ein dünner roter Faden lief über ihren Ringfinger und
sammelte sich in der Handfläche. Auf dem Tisch lag ein Küchenmesser. Birnbaum
spürte eine leichte Unruhe und so etwas wie Schuld, weil seine Frau sich die Hände
wund arbeitete, während er auf dem Dachboden schnarchte.
    »Geschnitten?«, fragte
er.
    Sie nickte und wühlte
mit der freien Hand in der Schublade nach einem Pflaster. Endlich erwachte er
aus seiner Schlafmützigkeit, fummelte das Pflaster aus der Hülle und klebte es
ihr vorsichtig auf den Finger. In ihren Augenwinkeln glänzte es, was selten
vorkam.
    »So schlimm?« Seine
Zärtlichkeiten klangen immer etwas brummig.
    Da brach es aus Maria
heraus, ein Sturzbach von Tränen. Sie ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken
und weinte. Weinte in ihre Hände, bis ihm angst und bange wurde.
    »Was ist denn?«, fragte
er und strich ihr ungelenk übers Haar. In solchen Situationen war er ein
Stoffel, der mit seinen großen Pfoten alles nur noch schlimmer machte.
    »Ich war heute früh beim
Doktor«, schluchzte Maria.
    Ihm sank das Herz in die
Kniekehlen. Bestimmt war es Krebs. Ihre Mutter war an Krebs gestorben. Und eine
ihrer Tanten. Wenn es Krebs war, dann war alles aus. Was sollte dann aus dem
Buben werden? Und dem Hof? Und aus ihm?
    »Ich bekomme wieder ein
Kind«, stammelte sie atemlos. »In meinem Alter! Und ausgerechnet jetzt! Wir
haben Schulden, der Wagen ist schrottreif, der Weizen ist verbrannt, der Blitz
hat die Linde gespalten, und alles geht drunter und drüber!«
    Sie heulte auf, während Birnbaum
nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte. Ach, Unsinn, lachen war besser!
Ja, er lachte und nahm sie in die Arme. Jahrelang hatten sie sich ein zweites
Kind gewünscht, hatten die Hoffnung längst aufgegeben. Tobias war schon groß,
Maria war nun vierzig, und ja, sie hatte recht, es ging wirklich alles drunter
und drüber im Moment. Das Glück war ihnen nicht gerade wohlgesonnen.
    Aber Birnbaum lachte und
küsste seine Maria und versicherte ihr, wie sehr er sich freue und dass sie das
alles schon schaffen würden. Er versuchte, nicht an den sonderbaren Traum zu
denken, an den Vogel im Kochtopf und die Fratze am Fenster.
    »Du freust dich
wirklich?« Das Erstaunen in ihrer Stimme war so echt, dass es wehtat. »Und ich
dachte schon, ob es vielleicht besser wäre, wenn ich …«
    »Sprich es nicht aus!«,
sagte Birnbaum erschrocken und fügte flüsternd hinzu: »Nur über meine Leiche …«
    Dann schwiegen sie eine
Weile. Sein Kopf ruhte in ihrem Schoß, und sie strich ihm durch den struppigen
Haarschopf, der schon ziemlich grau wurde. Draußen grummelte es wieder, der
Himmel war so dunkel geworden, als stünde der Weltuntergang bevor.
    »Ich geh jetzt los wegen
dem Saatgut«, sagte Birnbaum, als die Uhr drei schlug, und erhob sich. »Und
wenn es nicht regnet, fahre ich später noch mal aufs Feld und schau, dass ich
den vermaledeiten Stumpf wegschaffe.«
    Maria nickte.
    »Und
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