Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika
Autoren: Michael Kleeberg
Vom Netzwerk:
aufgehoben? Habt ihr die Italiener schon gesehen? Zu teuer!
    Ein spanischer Beamter brütete würdig und schwarz auf einem Stuhl, dessen hohe, mit Schnitzereien verzierte Rücken- und Armlehnen ihm die Flanken und den Nacken
freihielten, zwei französische Obristen sowie eine Handvoll Großbauern aus dem Hennegau und dem Limburgischen repräsentierten das Geschäft, mehrere Prälaten und Theologieprofessoren aus der Stadt den Geist.
    Pujol, der mit Tuch und Textilien handelte, aber auch für das französische Heer fouragierte und es mit Stiefeln, Mänteln, Musketen und Pulver versorgte, thronte am Kopfende des größten Tisches, sprach den vor ihm ausgebreiteten Speisen herzhaft zu und erklärte seinem Nachbarn mit einer Saal, Gemälde, Draperien, Möbel, Krüge, Schnitzfiguren umfassenden Geste, die über der Wachtel auf seinem Teller zum Stillstand kam, seine Liebe zu den Dingen, zu dem, was um ihn war, was man sehen, berühren, anfassen, riechen und schmecken konnte und was ihm gehörte.
    Er war ein rotwangiger, grauhaariger Mann in den Fünfzigern, der einen nach oben gezwirbelten Schnurrbart, dessen Spitzen seine schweren Tränensäcke kitzelten, mit einem kleinen fussligen Ziegenbärtchen unter der fleischigen Unterlippe auspendelte, angetan mit einer schwarzen Prunkjacke, die mit farbigen, Blumenkörbe, Rankenwerk und überquellende Füllhörner darstellenden Stickereien verziert war. Über den Revers breiteten sich, als schliefen auf seinen Schultern zwei friedfertige weiße Tauben, die Spitzen des seinen Hals bis unters Kinn umschließenden Kragens, den, da der Hausherr zugleich aß und redete, mehrere Soßenspritzer verunzierten.
    In der Mitte des Saals thronten auf der Querstange eines meterhohen Pfostens zwei große Papageien, ein roter und ein blaugelber Ara, deren Schwanzfedern bis zum Boden reichten, goldene Kettchen um ihren rechten Fuß, die sie am Aufflattern hinderten. Die schräggeneigten Köpfe ruckweise von links nach rechts und wieder zurückdrehend, beobachteten sie mit ihren regelmäßig blinzelnden Äuglein das seltsame Treiben.
    Pujol hatte die beiden Vögel als Geschenk aus Übersee
erhalten, bei Empfängen ließ er sie aus dem Bauer holen, in dem sie wochentags dahinvegetierten, und sie wurden begafft wie gefangene Negerhäuptlinge. Der Kaufmann betrachtete sie mit demselben etwas schmatzenden Genuß wie die anderen Einrichtungsgegenstände seines Heims und mit einer eigentümlichen Mischung aus Ehrfurcht und Verachtung.
    Selbst nach Stunden noch glichen die Tiere sich nicht dem schwerblütigen Dekor an und blieben ein schriller Farbtupfer aus einer fremden Welt. Den Blick ihrer Knopfaugen überwachend, der leer war von der Schwermut der Gefangenschaft, empfand der Hausherr eine leise Abscheu wie gegenüber allem und jedem, das von ihm abhängig war und ungleich schwächer als er selbst, aber einer höheren Sphäre entstammte. Das bunte Kleid der Papageien wirkte wie ein hilfloser Protest, um so unleidlicher, je auftrumpfender er in seiner Sträflingsautonomie den Hausherrn provozierte.
    Jetzt kniete ein junger Mann sich zu den Vögeln und geriet ins Blickfeld Pujols, dessen Augen und Mundwinkel sich nicht bewegten. Er hob den Zeigefinger, der rote Ara öffnete den Schnabel und sagte: Al-fons ist scheen! Und der blaugelbe fügte hinzu: Al-fons ist serr scheen!
    Pujol nickte stumm. Man konnte den Viechern schwerlich widersprechen. Der braunhaarige, in moirierendes Schwarz Gekleidete wirkte inmitten der anderen Gäste wie ein Quecksilberkügelchen zwischen Bleimurmeln. Er war jünger als die meisten, sein anmutiges Gesicht eine Oase zwischen all den warzenübersäten, blatternarbigen Wüsteneien, zwischen den Kolbennasen und Kropfkinns, den Schwarten-Nacken und unreinen Augäpfeln. Auch sein Gelächter, seine graziösen Bewegungen schieden ihn von den Männern, deren Finger dazu dienten, Geld zu zählen oder Erde an den Mund zu heben, um ihre Fruchtbarkeit zu schmecken.

    Alfons von Neuhoff stammte aus der westfälischen Grafschaft Mark unter dem Schutz des Kurfürsten und Markgrafen von Brandenburg. Dort, auf der Anhöhe von Pungelscheid, befand sich das Schloß von Donnersfurth-Bruchmühle – es wurde ein Schloß genannt, war aber wohl eher ein Haus mit Fenstern und Türen -, wo die Freiherren von Neuhoff seit Generationen residierten. Er wohnte seit sechs Monaten als Logiergast im Hause Pujol, um in Lüttich die Gottesgelehrsamkeit zu studieren. Er war sechsundzwanzig Jahre alt und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher