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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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herunter. Als sie Rey scheißen sah, fing sie laut an zu lachen.
    »Was gibt’s da zu lachen?«
    »Du siehst aus wie ein scheißender Affe.«
    »Zwei Tage lang haust du ab, und das Lachen ist dir immer noch nicht vergangen.«
    »Wenn dir das nicht passt, kannst du ja gehen. Wir sind hier bei mir, Schätzchen.«
    »Was heißt hier bei dir?«
    Sie gingen ins Zimmer hinein. Magda erschrak. »Himmel, so nass war’s hier noch nie!«
    »Lenk nicht vom Thema ab, Magda.«
    »Gut, dass du den Strohsack ins Trockene gebracht hast.«
    »Magda, was treibst du? Was ist das für eine Hurerei?«
    »Schau, ich habe Erdnüsse mitgebracht und ein paar Schachteln mit Essen …«
    »Magda, antworte mir.«
    »Ach, hör auf, Schätzchen, spiel jetzt nicht schon wieder den Mann im Haus!«
    »Spiel ich auch nicht. Zwei Tage lang habe ich hier auf dich gewartet. Und du warst einfach weg.«
    »Schon gut, kleiner Hitzkopf, lass uns jetzt essen …«
    »Wir werden nichts essen, verdammt, Magda … Mach dich nicht über mich lustig.«
    »Bist du wild?«
    »Klar bin ich wild! Ich bin total spitz! Du Nutte!«
    »Nix Nutte und nix spitz. Rey, verdammt noch mal! Spiel hier nicht den harten Macker. Du bist ein dummer Junge und Hungerleider von siebzehn. Ich war beim Vater meines Sohnes, der ist ein riesengroßer, starker Schwarzer von vierzig mit einem Haus und allem Drum und Dran, und er liebt mich sehr und hat Pesos. Ja, das ist ein Mann! Mit vielen Scheinen und vielem, was mir hilft! Du hingegen bist ein Einfaltspinsel, Rey, ein verdammter Nichtsnutz, also hör auf zu nerven.«
    Rey stürzte sich auf sie und gab ihr ein paar Ohrfeigen. Magda verteidigte sich und zerkratzte ihm das Gesicht. Rey versetzte ihr einen ordentlichen Kinnhaken. Sie fiel zu Boden. Wieder und wieder trat er nach ihr. Sie packte einen Fuß, so dass er das Gleichgewicht verlor. Sie wälzten sich in dem schlammigen Wasser. Das kühlte beide ein wenig ab. Sie beschimpften einander nicht mehr, lagen ruhig da, ohne sich zu bewegen. Magda fing an zu schluchzen. Rey wurde weich, als er sie weinen sah. »Magda, im Namen deiner Mutter, wein doch nicht.«
    »Ach, Rey, ich liebe dich so sehr, so sehr, Rey. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich mag, wie sehr du mir gefehlt hast.«
    »Und dein Schwarzer?«
    »Den auch.«
    »Auch was?«
    »Den mag ich auch. Ich bin in euch beide verliebt. Siehst du das nicht, du Trottel, Idiot?«
    »Beleidige mich nicht!«
    »Ich liebe euch beide. Ach, Rey, ich sitze zwischen zwei Stühlen … aber vergiss das jetzt. Jetzt bin ich bei dir.«
    »Ja, und dasselbe sagst du ihm.«
    »Nein, Schätzchen, nein.«
    »Ach …«
    Rey verstand das alles nicht. Die Eifersucht brachte ihn erneut in Rage. Magda streichelte und küsste ihn mit so viel Zärtlichkeit, dass er sich wieder beruhigte. Sie zogen sich aus, legten sich auf den Strohsack und liebten sich zärtlich wie nie zuvor. Rey drang tief in sie ein, mit aller Liebe dieser Welt, und sie liebten sich erneut voller Leidenschaft.
    Magda hatte ein wenig Geld. Rey wollte es von ihr haben, um Rum zu kaufen.
    »Spinnst du, Rey? Alles ist geschlossen. Überall sind Überschwemmungen.«
    »Woher weißt du das?«
    »Der Vater meines Sohnes hat ein normales Haus, sogar mit Radio. Keinen solchen Schweinestall wie das hier.«
    »Aha.«
    »Außerdem musste ich zu Fuß kommen. Es fahren keine Busse, nichts, gar nichts. Jetzt ist das hier wirklich hin.«
    »Dann gibt’s also weder Rum noch Zigaretten?«
    »Nichts gibt’s, Schätzchen, gar nichts.«
    Es gab nichts, aber sie beteten sich gegenseitig an. Draußen regnete es weiter in Strömen. Manchmal mit starkem Wind. Am nächsten Tag um drei Uhr nachmittags war der Sturm immer noch auf seinem Höhepunkt. Seit zweiundsiebzig Stunden regnete es über Havanna zu stürmischen Winden, Böen, Donnerschlag. Die Stadt stand still. »Wenn es aufhört zu regnen, möchte ich hinaus aufs Land. Es ist lange her, seit ich den Jungen zuletzt gesehen habe.«
    »Wen du wirklich sehen willst, ist der Vater des Jungen. Mach mir nichts vor.«
    »Iiiich?«
    »Ja, duuuu. Spiel nicht das Unschuldslamm.«
    »Wie zynisch du bist.«
    »Und du eine Hurentochter.«
    »Hahaha.«
    Es wurde dunkel. Die Nacht brach herein, und Magda lachte laut weiter. Es gefiel ihr, Reys Zorn herauszufordern. In dem Moment gaben die Mauern langsam nach. Sie hatten sich mit tonnenschwerem Wasser voll gesaugt. Die brüchigen, rissig gewordenen Steine, die über ein Jahrhundert lang standgehalten hatten, beschlossen,
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