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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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Knochen und formulierte seinen Befund, sagte aber kein Wort. Dann forderte er mich auf, mir die Knochen anzusehen und meine eigenen Schlüsse zu ziehen. Wenn wir dann unsere Erkenntnisse verglichen, sollte ich meine Behauptungen begründen und belegen, indem ich neuere wissenschaftliche Arbeiten über das Thema zitierte. Krogman war jedes Mal überrascht, wenn ich etwas fand, was er übersehen hatte. Das kam nicht oft vor, aber wenn es geschah, strahlte ich vor Stolz.
    Krogmans Unterrichtsmethode war bemerkenswert effektiv. Sie half mir nicht nur, den Stoff zu behalten, sondern sie bereitete mich auch auf Gerichtsverfahren und die Verhöre feindseliger Anwälte vor - eine Prozedur, die ich in späteren Jahren häufig über mich ergehen lassen musste, auch wenn ich das damals noch nicht ahnen konnte. Zu jener Zeit wusste ich nur, dass Krogman mich Fall für Fall und Knochen für Knochen auf einem großartigen Weg voranbrachte.
    Nur allzu schnell trennten sich unsere Wege. Im Januar 1960 verließ ich Pennsylvania und übernahm einen neunmonatigen Lehrauftrag an der University of Nebraska, dann folgten elf Jahre an der University of Kansas in Lawrence. Aber meine Verbindung zu Krogman riss nicht ab. Wir blieben privat und beruflich stets in enger Verbindung. Und als ich im Juni 1982 die Stufen des roten Backstein-Hauptquartiers der New Jersey State Police hinaufstieg, musste ich feststellen, dass ich wieder einmal auf Krogmans Spuren wandelte.
    Fünf Jahre zuvor, 1977, hatte Krogman vom Generalstaatsanwalt des Staates New Jersey den Auftrag erhalten, die Knochen zu untersuchen. Da im Zusammenhang mit dem Fall Lindbergh immer noch offene Fragen im Raum standen, erwog man, die Sache neu aufzurollen. Auf Grund von Krogmans Befunden hatten sich die Behörden entschlossen, es nicht zu tun. Und jetzt beschäftigte ich mich im Auftrag der Witwe des verurteilten Mörders mit der gleichen Frage.
    Mittlerweile hatte ich mir beruflich auch selbst eine gesicherte Stellung erworben: Ich leitete an der University of Tennessee ein sehr aktives anthropologisches Institut und hatte eine Einrichtung gegründet, die unter dem Namen »Body Farm« bekannt wurde: die weltweit einzige gerichtsmedizinische Forschungsinstitution, die sich mit der Verwesung von Leichen beschäftigte. Man hatte mich in die American Academy of Forensic Sciences berufen, und bei dieser Fachgesellschaft war ich Präsident der Sektion für physische Anthropologie. Ich hatte Tausende von Skeletten untersucht und an mehreren hundert gerichtsmedizinischen Fällen mitgewirkt. Trotz alledem fühlte ich mich jetzt klein und nervös: wie ein Zwerg, der in die Fußstapfen eines Riesen tritt. Ich war erst der zweite Anthropologe, der überhaupt die Erlaubnis erhielt, die berühmten Lindbergh-Knochen zu untersuchen.
    Im Gebäude der State Police führte man mich in einen Kellerraum. Ein paar Minuten später brachte ein Beamter mir eine Asservatenschachtel. Darin befanden sich fünf Glasgefäße. Eines davon war gebrochen und wurde von durchsichtigem Klebeband zusammengehalten. Ursprünglich hatten diese Röhrchen teure Zigarren davor bewahrt, ihren Geschmack zu verlieren. Jetzt waren sie mit Korkstopfen verschlossen und schützten ein Dutzend winzige Knochen vor Verlust oder Beschädigung - Knochen, die sowohl den frühzeitigen Tod eines Unschuldigen als auch die letzte Hoffnung einer alternden Witwe verkörperten.
    Zwei Knochen waren ganz offensichtlich tierischen Ursprungs: ein fünf Zentimeter langes Rippenstück von einem Vogel mittlerer Größe - vielleicht von einem Raufußhuhn oder einer Wachtel -, und das Hirnschädelgewölbe eines kleinen Wirbeltiers, vermutlich von demselben Vogel. Beide trugen Bissspuren - möglicherweise von demselben Hund oder den Hunden, die im Wald auch die Hand des toten Kindes abgerissen hatten.
    Der größte der zehn Menschenknochen - das Fersenbein des linken Fußes - hatte einen Durchmesser von etwa drei Zentimetern; für den ungeübten Blick hätte es als kleiner Kiesel durchgehen können. Insgesamt stammten vier Knochen vom linken Fuß, zwei von der linken und vier von der rechten Hand. Obwohl ein halbes Jahrhundert vergangen war, hingen an einigen davon noch verwestes Gewebe, Schmutz und sogar ein paar Haare.
    Die Knochen waren unversehrt; sie trugen kein Zeichen von Gewaltanwendung, keinen Anhaltspunkt für die Todesursache. Das Einzige, was am Skelett darauf hingewiesen hatte - der zertrümmerte kleine Schädel -, war eingeäschert
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