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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb
Autoren: Thomas O'Callaghan
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wollten Sie doch andeuten, oder? Vermutlich glauben Sie, ich hätte noch ein Kabinett, in dem ich eine zweite Sammlung von Gerippen aufbewahre. Menschliche Gerippe. Ich muss Ihnen sagen, die Vorstellung erschüttert mich bis ins Mark.«
    Bis ins Mark. Ein subtiles Wortspiel. Wollte er sie schon wieder foppen? »Sie wissen so viel über den Fall, da liegt die Vermutung nahe …«
    »Dass ich Ihr Mann bin.« Pierce führte ihren Gedanken zu Ende. »Wenn ich es wäre, würde ich mich dann derart intensiv mit der Polizei einlassen, also quasi mit dem Feind?«
    »Es gibt eine Reihe von Gründen, warum sich ein Verdächtiger mit der Polizei einlässt. Zum Beispiel wäre es ein bequemer Weg, um über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden zu bleiben.«
    »Die Informationen, die ich Ihnen gegenüber geäu
ßert habe, stammen von verschiedenen Nachrichtenseiten.«
    »Und das mit der Benjamin?«
    »Reine Spekulation, weiter nichts.«
    »Ein Mörder wie der, nach dem wir fahnden, legt es darauf an, gefasst zu werden.«
    »Ist das eine Tatsache?«
    »Ja.«
    »Nun, dann holen Sie schon mal Ihre Handschellen raus. Sie haben mich erwischt. Ich gehöre Ihnen. Ich gestehe. Ich bin Ihr Täter. Ich habe es verdient, für meine Taten zu sterben. Wie hätten Sie es gern? Durch eine Giftspritze? Auf dem elektrischen Stuhl? Oder vielleicht durch ein Erschießungskommando?«
    Er machte sich über sie lustig, und das gefiel ihr gar nicht. »Ich wollte nur deutlich machen, dass die Behörden bei geständigen Kriminellen Milde walten lassen.«
    »Gilt das auch für einen Täter, der unschuldigen Frauen nachstellt, sie in seine Gewalt bringt und sie entbeint? Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen. Eine derartige Schlechtigkeit würde sicher bestraft werden. Und zwar mit der vollen Härte des Gesetzes, wie Sie es ausdrücken würden.«
    Margaret musterte Pierce über den Tisch hinweg. Die Verachtung, die er zuvor an den Tag gelegt hatte, war mittlerweile verschwunden und von einem erstaunten Blick abgelöst worden. Hatten Driscolls Instinkte ihn doch getrogen? War Pierce gar nicht der ruchlose Killer, für den ihn der Lieutenant hielt? Saß sie gerade mit einem Unschuldigen zu Tisch, der nichts weiter war als ein harmloser Radiologe mit einer Leidenschaft für Knochen? Oder hatte Driscoll Recht, was Pierce anging?
War Pierce ein skrupelloser Mörder? Wenn ja, so saß sie gerade in knapp anderthalb Metern Entfernung einem Wahnsinnigen gegenüber.

84. KAPITEL
    »Hat irgendjemand angerufen?«, fragte Dr. Pierce, während er schnellen Schrittes am Empfang der Abteilung für Radiologie vorbeieilte.
    Alicia Simmons, seine Sekretärin, schnappte sich einen Stapel Nachrichten und fegte hinter ihm her. »Verabredung zum Essen um achtzehn Uhr im Bruxelles. Doktor Meyers hat den Termin telefonisch bestätigt. Jimmy von Crown Motors hat angerufen; der Mercedes ist am Donnerstag fertig. Er hat sich für die Verzögerung entschuldigt und irgendwas von Warten auf ein Ersatzteil gesagt. Ihr Schneider hat Bescheid gesagt, dass Ihre Anzüge geändert wurden und abholbereit sind. Und eine Miss Langley hat angerufen. Es klang dringend.«
    »Wie war der Name? Der letzte?«
    »Langley, Priscilla Langley. Hier ist ihre Nummer.«
    Pierce betrat sein Büro, ließ sich auf den Schreibtischstuhl fallen und starrte auf den kleinen rosafarbenen Zettel. Es war Jahre her, seit er zuletzt mit ihr gesprochen hatte. Was konnte sie wollen? Eine Ahnung von drohendem Unheil beschlich ihn: Der Anruf konnte nur Ärger bedeuten. Wer wühlte die alten Geschichten wieder auf? Die Eltern der nun schwerstbehinderten jungen Hackerin? Die neugierige Margaret? Der hartnäckige Lieutenant, der die Ermittlungen leitete? Ein Schwall von Gefühlen erfasste ihn. Er kämpfte dagegen an, wollte sie
verdrängen, doch sie hielten an, während sich die Telefonnummer auf dem Zettel in seine Gehirnwindungen ätzte. Er griff nach dem Telefon und wählte. Priscilla Langleys Stimme drang in sein Ohr.
    »Sind Sie’s wirklich?«, stieß er atemlos hervor.
    »Junge, es war ein Mann hier in South Dorset, ein Polizist, der alle möglichen Fragen gestellt hat.«
    »Fragen?«
    »Über ein junges Mädchen, das in deiner Klinik gestorben ist.«
    »Hier sterben eben manchmal Patienten, es ist ein Krankenhaus, verdammt noch mal! Wie hieß dieser Polizist?«
    »Lieutenant John Driscoll.«
    Pierce glaubte, sein Herz müsse zerspringen. Hektisch überschlugen sich die Gedanken in seinem Kopf, spielten
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