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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher
Autoren: Chris Carter
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wären Sie so gut?«
    Es dauerte nicht lange, bis er die Naht vollständig geöffnet hatte. Nach jedem Stich, den er durchtrennt hatte, zog er mit Hilfe der Pinzette ein Stück dicken schwarzen Faden aus dem Gewebe des Opfers und legte es in eine kleine Asservatendose aus Plastik.
    Â»Wurde sie vergewaltigt?«, fragte Hannay.
    Â»Im Vaginalbereich sind Abschürfungen und Hämatome zu erkennen, die von einer gewaltsamen Penetration herrühren könnten«, lautete Dr. Winstons Antwort, »allerdings könnten sie genauso gut beim Einführen des Gegenstands entstanden sein. Ich nehme ein paar Abstriche und schicke sie zusammen mit dem Faden ins Labor.« Er legte Schere und Pinzette auf das Tablett mit den bereits benutzten Instrumenten. »Dann wollen wir mal sehen, was der Täter uns hinterlassen hat.«
    Hannays Körper spannte sich unwillkürlich an, als Wins­tons rechte Hand im Unterleib des Opfers verschwand. »Ich hatte recht. Es ist nicht gerade klein.«
    Mehrere unangenehme Sekunden verstrichen.
    Â»Die Form ist auch merkwürdig«, fuhr er fort. »Eckig, und an einer Seite hat es eine kleine Ausbuchtung.« Endlich bekam er den Gegenstand zu fassen. Als er ihn herauszog, war ein leises Klicken zu hören.
    Hannay trat einen Schritt vor, um einen Blick darauf zu werfen.
    Â»Metall, relativ schwer, sieht selbstgebaut aus …«, stellte Dr. Winston fest, während er den Gegenstand in seiner Hand betrachtete. »Aber ich habe immer noch keine Ahnung, was …« Mitten im Satz brach er plötzlich ab. Er spürte das Herz in seiner Brust wie wild schlagen. Seine Augen weiteten sich. »O mein Gott …«
    2
    Detective Robert Hunter von der Abteilung für Mord und bewaffneten Raubüberfall des Los Angeles Police Department brauchte für die Fahrt vom Gericht in Hollywood bis zu der leerstehenden Fleischerei in East L. A. über zwei Stunden. Dass man ihn angepiept hatte, war schon mehr als vier Stunden her, aber das Verfahren, bei dem er als Zeuge geladen gewesen war, hatte sich länger als erwartet hingezogen.
    Hunter war Teil einer handverlesenen Elite, wenngleich die meisten Polizisten in L. A. ihren rechten Arm dafür gegeben hätten, nicht dazuzugehören. Das Morddezernat I der Abteilung für Mord und bewaffneten Raubüberfall widmete sich ausschließlich Serienverbrechen, die stark im ­Fokus der Öffentlichkeit standen, sowie schweren Gewaltdelikten – Fällen also, deren Aufklärung spezielles Fachwissen und aufwendige Ermittlungen erforderte. Innerhalb des Dezernats kam Hunter eine ganz besondere Aufgabe zu: Da er einen Doktortitel in Kriminalpsychologie besaß, wurden ihm all jene Fälle anvertraut, in denen der Täter mit besonderer Brutalität vorgegangen war. Das Dezernat bezeichnete solche Fälle als UV  – ultra violent .
    Die Fleischerei war das letzte in einer Reihe verlassener Ladenlokale. Die Gegend machte einen vernachlässigten, heruntergekommenen Eindruck. Hunter parkte seinen ­alten Buick neben dem weißen Lieferwagen der Spurensi­cherung. Beim Aussteigen musterte er das Gebäude. Sämtliche Fenster waren mit massiven Eisenplatten verbarri­ka­diert, und die Fassade wies so viele Graffiti auf, dass sich unmöglich feststellen ließ, welche Farbe sie ursprünglich einmal gehabt hatte.
    Er ging auf den Officer zu, der am Eingang Wache hielt, zeigte ihm seine Dienstmarke und duckte sich unter dem gelben Flatterband hindurch. Der Officer nickte ihm zu, je­doch ohne ihn anzusehen.
    Hunter stieß die Tür auf und trat ein.
    Der Geruch, der ihm entgegenschlug, warf ihn fast um. Hunter musste würgen. Es war eine Mischung aus fau­ligem Fleisch, schalem Schweiß, Erbrochenem und Urin, die in seine Nase stach und in seinen Augen brannte. Er blieb kurz stehen, um sich den Kragen seines Hemds als provi­sorischen Atemschutz über Mund und Nase zu ziehen.
    Â»Die hier sind besser«, sagte Carlos Garcia, der aus dem hinteren Raum auftauchte und Hunter einen medizinischen Mundschutz hinhielt. Er selbst trug auch einen.
    Garcia war groß und schlank, hatte knapp schulterlanges dunkles Haar und hellblaue Augen. Der einzige Makel in seinem jungenhaft attraktiven Gesicht war der kleine Höcker auf seiner Nase, die er sich vor einiger Zeit gebrochen hatte. Im Gegensatz zu anderen Detectives in der Abteilung hatte Garcia ganz bewusst
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