Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken
Autoren: Sarah Sundin
Vom Netzwerk:
Wartehalle. Dampfwolken wirbelten umher und es roch nach verbranntem Öl. Die Lokomotive schnaufte einen Rhythmus, der ihren Puls schneller schlagen ließ.
    „Alles einsteigen!“
    Sie drehte sich zu ihren Eltern um. „Danke, dass ihr mich fahren lasst. Ihr wisst gar nicht, wie viel mir das ...“
    „Doch, das wissen wir“, unterbrach sie ihr Vater lächelnd. „Und nun beeil dich, sonst kriegst du keinen Sitzplatz. Bist du sicher, dass die Jamisons dich in Tracy vom Bahnhof abholen?“
    „Ja, und für alle Fälle habe ich Bettys Nummer dabei.“
    Ihre Mutter richtete die Anstecknadel an Allies Revers. „Und halte dich an das, was wir dir gesagt haben. Pass auf deinen Gepäckabschnitt auf, lass deine Siebensachen nicht allein und hüte dich vor den Soldaten. Eine Uniform macht noch keinen Gentleman.“
    Ihr Vater schmunzelte. „Mary, Baxter kriegt noch Albträume, dass ihm sein Mädchen von den Soldaten weggeschnappt wird.“
    „Darum muss ich mir doch bestimmt keine Sorgen machen“, antwortete Baxter.
    Sofort wechselte Allies innere Melodie nach Moll. Wenn seine Gelassenheit doch nur auf seinem Vertrauen in ihre Treue beruhen würde, nicht auf ihrem mittelmäßigen Aussehen.
    Ihr Vater umarmte sie. „Ich werde dich vermissen, mein Sonnenschein. Genieß es!“
    In den Armen ihres lebenslangen Beschützers ging Allie das Herz auf. Sie wandte sich an Baxter. Mit Sicherheit hatten ihre neue unmittelbar bevorstehende Abreise, die Aufbruchsstimmung im Bahnhof und die sich umarmenden Paare um sie herum auch ihn in romantische Stimmung versetzt.
    Baxter verpasste ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Na dann. Viel Spaß.“
    Allies Herz zog sich an seinen gewohnten Ort zurück. Wenn sie ein Mann doch nur ein einziges Mal so ansehen könnte, als wäre sie reizvoll und etwas Besonderes. Nur ein einziges Mal.
    Sie reihte sich in die Schlange der Zusteigenden ein. Oben auf der Treppe wollte sie noch einmal winken, wurde aber von einem Marinesoldaten verdeckt. Also ging sie direkt in den Waggon. Wegen des dichten Zigarettenqualms musste sie husten, während sie sich den Gang vorarbeitete; freien Plätzen neben Soldaten ging sie aus dem Weg. Der Zug füllte sich schnell.
    „Verzeihung, Miss. Möchten Sie sich vielleicht zu uns setzen?“ Eine dunkelhaarige Frau deutete auf die Sitzbank ihr gegenüber, wo bereits zwei kleine Kinder saßen. Die Frau hielt ein Baby auf dem Arm und saß neben einem älteren Jungen. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass es vielleicht ein bisschen eng wird, und ...“
    „Das wäre wunderbar. Vielen Dank.“ Allie ließ sich auf dem Stoffsitz in gedeckten Farben nieder.
    „Ich bin schon trei.“ Die Kleine rechts neben ihr hielt vier Finger hoch.
    „Dann bist du ja schon ein richtig großes Mädchen.“
    „Pah.“ Der Junge auf der anderen Seite klopfte mit dem Fuß gegen die Zugwand. „Sie kann noch nicht mal lesen. Aber ich.“
    „Ja. Wie ein Anfänger“, sagte der ältere Junge, der Allie gegenübersaß.
    „Das reicht jetzt, Kinder“, ermahnte sie die Mutter. „Ihr sollt die junge Frau nicht belästigen.“
    „Aber sie belästigen mich doch nicht.“ Allie fiel auf, dass die Frau ein schlecht sitzendes rotes Kostüm trug. Ihr eigenes elegantes Outfit machte sie verlegen. „Und ... ich könnte Ihnen mit den Kindern doch ein bisschen helfen.“
    „Das wäre großartig.“ Die Frau schob dem Baby ein Fläschchen in den Mund. „Und, wohin geht die Reise?“
    „Ich besuche meine beste Freundin in Antioch, oben am Sacramento River Delta. Ach, ich kann es kaum erwarten. Betty war meine Zimmergenossin auf dem Scripps College in Claremont. Sie heiratet nämlich, und ich bin Brautjungfer.“ Allie zuckte zusammen. Wieso musste sie immer so viel reden, wenn sie aufgeregt war?
    „Wie schön. Das wird Ihnen sicher gefallen.“ Die Frau stupste den Jungen zu ihrer Rechten an. „Donnie, heb doch mal die Puppe von deiner Schwester auf, ja? Lonnie, lass das Klopfen.“
    Allie schmunzelte. Diese Mutter brauchte keine Hilfe.
    Dann erstarb ihr Lächeln. Mitten im Gang des vollgestopften Zuges stand eine Frau, doch keiner der Soldaten bot ihr seinen Sitz an. Wenn sie jung und hübsch gewesen wäre oder eine gebrechliche alte Dame, wäre das sicher anders gewesen. Aber sie war kräftig, mittleren Alters und schwarz.
    „Ma’am?“ Jetzt stand ein Mann auf und deutete auf seinen Sitz. Er trug eine olivbraune Uniform und hatte sich seine Offiziersmütze über das schwarze Haar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher