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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst
Autoren: Peter Prange
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Teofilo, und ihre Stimme wurde ganz weich. »Bist du so weit? Dann
verabschiede dich von deinem Paten.«
    Teofilo verbeugte sich vor dem Eremiten, dann kniete er auf dem
gestampften Lehmboden vor dem Marienbild nieder, das als einziger Schmuck die
Klause zierte, und wie jedes Mal, wenn er die Einsiedelei betrat oder verließ,
küsste er darauf das Jesuskind, dessen Antlitz ihn ein kleines bisschen an sein
eigenes Spiegelbild erinnerte.
    Â»Gelobt sei Jesus Christus.«
    Â»In Ewigkeit amen.«
    Als seine Mutter ihn an die Hand nahm, war es, als würde sein
Schutzengel ihn an die Hand nehmen, um ihn vor allem Bösen zu bewahren. Teofilo
empfand die Berührung wie einen Segen. Solange seine Mutter ihn führte, das war
für ihn so sicher wie der Sonnenaufgang jeden Morgen, solange konnte ihm nichts
auf der Welt widerfahren.
    Im Hinausgehen warf er Gregorio einen triumphierenden Blick zu.
    Die Augen seines Bruders funkelten vor Wut. Doch als er das Gesicht
seiner Mutter sah, traute er sich nicht, noch etwas zu sagen.
    3
    Â»Jetzt hör auf zu zappeln und halt endlich still!«
    Um sich zu beruhigen, stellte Chiara sich vor, ein Baum zu sein. Wie
angewurzelt hob sie die Arme über den Kopf, holte einmal tief Luft und hielt
den Atem an, damit sie sich kein noch so kleines bisschen mehr bewegte, als die
Zofe ihr das seidene Unterkleid überstreifte, das an ihrer nackten Haut entlang
glitt, als würde jemand sie streicheln. Sie war so aufgeregt, dass sie die
ganze Nacht nicht hatte schlafen können, und beim Frühstück hatte sie keine
zwei Löffel Brei herunter bekommen. Erst gestern Abend hatte ihr Vater gesagt,
dass sie ihn zur Krönung des Kaisers nach Rom begleiten durfte. In den
Petersdom, in die Kirche des Papstes!
    Â»Was meinst du, ob ich wohl das einzige Mädchen bin?«
    Â»Ich glaube schon«, erwiderte Anna. »Dein Vater hat gesagt, dass
jeder Edelmann nur seinen ältesten Sohn mitbringen darf. Nicht mal die Herzöge
bringen ihre Töchter mit. Nur der Conte di Sasso!«
    Â»Da werden die anderen aber Augen machen!« Mit Annas Hilfe zwängte
Chiara sich in das eng anliegende Oberkleid, eine Tunika aus grünem Damast, die
sie selber genäht und mit Perlen bestickt hatte. »Ob mein Vater wohl lieber
einen Sohn gehabt hätte als nur ein Mädchen?«, fragte sie.
    Â»Wie kommst du denn darauf? Ich habe noch keinen Mann gesehen, der
seine Tochter so lieb hat wie dein Vater! Oder kennst du vielleicht noch einen
Vater, der jeden Abend mit seiner Tochter Trictrac spielt?«
    Anna bückte sich und verflocht die kleinen bunten Bänder an ihrem
Kleid mit den Ärmeln der Tunika. Dabei kitzelten die Bänder Chiara an der
Schulter, und weil sie es nicht ausstehen konnte, wenn etwas sie nur auf einer
Seite juckte oder drückte oder sonst wie störte, kratzte sie sich nicht nur die
linke, sondern auch die rechte Schulter.
    Â»Wenn deine Mutter nur heute bei uns sein könnte«, sagte Anna. »Sie
wäre so stolz auf dich.«
    Bei den Worten ihrer Zofe senkte sich ein feiner grauer Schleier auf
Chiaras Seele. Sie hatte ihre Mutter nie kennen gelernt – so lange sie
zurückdenken konnte, war immer nur Anna da gewesen. Ihre Mutter, das wusste sie
von ihrem Vater, war bei der Geburt eines Sohnes gestorben, der tot zur Welt
gekommen war. Chiara war damals noch keine zwei Jahre alt gewesen und hatte
keine Erinnerung an sie. Es gab nur ein Bild von ihr, das aber nicht fertig
geworden war – weil es eine Sünde sei, Bilder von einer sterblichen Frau zu
malen, hatte der Maler sich geweigert, es fertig zu stellen. Jetzt hing es,
versteckt vor den Blicken Fremder, im Kabinett ihres Vaters, und zeigte eine
wunderschöne Frau mit herrlichen blonden Locken und einem halben Gesicht.
Chiara hatte einmal gesehen, wie ihr Vater vor dem Bild saß und weinte. Seitdem
mochte sie das Kabinett nicht mehr betreten.
    Â»Nicht traurig sein«, sagte Anna. »Ich bin sicher, sie schaut gerade
vom Himmel auf dich herab.«
    Â»Glaubst du wirklich?«
    Â»Ganz bestimmt!«
    Die Vorstellung reichte, damit der graue Schleier wieder verschwand.
    Â»Darf ich heute meine zweifarbigen Strümpfe anziehen?«
    Â»So eitel kenne ich dich ja gar nicht«, lachte Anna. »Eitel bist du
doch sonst nur, wenn es um deine Haare geht!« Sie schaute Chiara an. »Willst du
vielleicht dem Kaiser gefallen? Oder gibt es sonst einen Grund?«
    Chiara
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