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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst
Autoren: Peter Prange
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Wald der Kuckuck schreit.«
    Â»Unser Jagdaufseher hat mal gehört, wie der Kuckuck fünfmal schrie«,
bestätigte Ottaviano eifrig nickend. »Jetzt weiß er, dass er in fünf Jahren
sterben muss.«
    Â»Hab ich’s nicht gesagt?«, fragte Gregorio triumphierend.
    Doch Giovanni Graziano schüttelte den Kopf. »Es ist Aberglaube«,
wiederholte er. »Eine schwarze Katze kann höchstens dann Unglück bringen, wenn
ein Dämon in sie gefahren ist. Alles andere ist Ketzerei. Und wenn du weiter so
gottlose Dinge behauptest, musst du zur Strafe den Rest des Tages schweigen.«
    Gregorio biss sich auf die Lippen, um dann an seinem Daumennagel zu
knabbern wie ein Kaninchen an einer Mohrrübe. Das tat er immer, wenn er nicht
mehr weiter wusste. Teofilo platzte fast vor Stolz. Seine Brüder waren so viel
älter als er, doch er war tausendmal klüger als sie!
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
    Â»Wenn Angst vor schwarzen Katzen Aberglaube ist – ist dann die
heilige Wandlung nicht auch Aberglaube?«
    Giovanni Graziano schlug erschrocken ein Kreuzzeichen. »Willst du
dich versündigen?«
    Â»Ich kann es einfach nicht begreifen!«
    Â»Du sollst nicht begreifen – du sollst glauben, hörst du? G lauben ! Wie oft soll ich dir das noch sagen? Oder hast du
schon wieder die Lektion vergessen, die ich dir erteilt habe?« »Nein, ehrwürdiger
Vater«, erwiderte Teofilo leise. »Natürlich nicht.«
    Wie konnte er auch? Es war im letzten Sommer gewesen, bei der
Unterweisung vor Christi Himmelfahrt. Teofilo hatte nicht glauben wollen, dass
ein Mensch, und Jesus war doch ein Mensch, in den Himmel aufsteigen konnte wie
ein Vogel – Jesus hatte doch keine Flügel! Da hatte der Einsiedler ihn zu der
Straße geführt, die von Nemi zu der Klause führte, hatte eine mit Wasser
gefüllte Schweinsblase auf den Boden gelegt, und Teofilo hatte mit eigenen
Augen gesehen, was sein Verstand nicht hatte fassen können: Die Schweinsblase
war tatsächlich bergauf gerollt, obwohl das doch gar nicht möglich war! Damals
hatte er sich vorgenommen, nie wieder Fragen zu stellen, die sein Lehrer nicht
hören wollte. Doch seine Zunge gehorchte ihm einfach nicht.
    Â»Aber … aber«, stammelte er, »wenn die heilige Wandlung kein
Aberglaube ist – was ist sie dann? Zauberei?«
    Giovanni Grazianos schwarze Augen glühten wie zwei Kohlestücke.
»Drei Tugenden hat uns Jesus Christus durch sein Beispiel gelehrt: Armut,
Keuschheit und Gehorsam. Ihnen sollen wir folgen. Ihr Gegenteil aber,
Prasserei, Wollust und Hochmut, führen uns ins Verderben. Hüte dich also vor
solchen Fragen, mein Sohn! Dahinter lauert die Superbia, die Sünde des
Hochmuts, die Sünde wider den Heiligen Geist.«
    Noch während der Eremit sprach, öffnete sich die Tür, und Teofilos
Mutter betrat die Einsiedelei.
    Â»Wie könnt Ihr von Hochmut sprechen, ehrwürdiger Vater?«, fragte
Ermilina, nachdem sie ihren Beichtvater ehrfürchtig begrüßt hatte. »Habt Ihr
nicht selber gesagt, dass dieser Knabe ein besonderes Kind ist? Ein Erwählter
des dreifaltigen Gottes?«
    Der Eremit hob seine knochigen Hände, als wolle er böse Geister
abwehren. »Erwähltheit und Verdammnis liegen oft nur einen Schritt auseinander.
Die Seele des Menschen ist aus Dunkelheit und Licht geschaffen. Wehe, wenn die
Dunkelheit das Licht erstickt!«
    Teofilo lief ein Schauer über den Rücken. Er wusste, Licht und
Dunkelheit – das waren Gott und der Teufel, die miteinander rangen, überall, im
Himmel und auf Erden.
    Auch in seiner Seele?
    Mit einem zärtlichen Lächeln reichte seine Mutter ihm sein Wams.
»Zieh dich an, mein Junge. Du wirst mit mir und deinem Vater nach Rom reisen.«
    Â»Nach Rom?«
    Â»Ja, zur Krönung des neuen Kaisers. Dein Onkel Romano, Seine
Heiligkeit Papst Johannes, hat uns eingeladen!«
    Â»Und ich?«, fragte Gregorio. »Darf ich etwa nicht mit?«
    Â»Du bleibst hier, genauso wie deine anderen Brüder. Ihr müsst noch
viel lernen.«
    Â»Das ist ungerecht!«, protestierte Gregorio. »Ich bin der Erstgeborene,
nicht dieser Hosenscheißer!«
    Seine Mutter verpasste ihm eine Ohrfeige. »Ja, du bist der Erstgeborene – aber nur vor deinem leiblichen Vater. Nicht vor Gott, unser aller Vater und
Herr im Himmel!« Während Gregorio sich die Wange rieb, wandte sie sich wieder
zu
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