Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
Glanz hatte
sie schon einmal gesehen, damals, in der Basilika, bei der Kaiserkrönung, als
er den schwarzen Ritter angesprungen hatte.
    Â»Du … du machst mir Angst …«
    Ihre beiden Schultern juckten gleichzeitig, aber bevor sie sich
kratzen konnte, knackte und krachte es in den Zweigen, lautes Gejohle ertönte,
und ein Dutzend Jungen brach in ihr Versteck ein, wie eine Horde Buschräuber.
Chiara kannte die meisten Gesichter, die Angreifer waren nur ein paar Jahre
älter als sie und gehörten zu den Crescentiern und Sabinern, zweier mit den
Tuskulanern rivalisierenden Adelsfamilien. Wie von einer Tarantel gestochen,
schoss Teofilo in die Höhe.
    Â»Packt ihn!«, rief Ugolino, der Sohn des Sabinergrafen, der die
Horde anführte.
    Teofilo schlug um sich und trat nach allem, was sich bewegte, aber
es waren zu viele. Die Angreifer warfen sich über ihn, drehten ihm die Arme auf
den Rücken und zerrten ihn durch das Dornengestrüpp hinaus auf die Lichtung, um
ihn dort an einen Baum zu binden, direkt über dem Abgrund. Eilig folgte Chiara
ihnen nach.
    Â»Zieht ihm die Hose runter!«, befahl Ugolino, als sie aus der Hecke
gestolpert kam.
    Â»Ich warne euch!«, rief Teofilo, den zwei seiner Gegner an den Armen
hielten, während zwei andere den Strick festzurrten. »Wenn ihr das tut, dann …«
    Â»Was dann?«, fragte Ugolino höhnisch.
    Mit der einen Hand setzte er ein Messer an Teofilos Kehle, als wolle
er ihn rasieren, während er mit der anderen Hand an seiner Hose nestelte.
    Â»Hör auf, das reicht jetzt!«
    Domenico, der Sohn des Crecentiergrafen, der Chiara die bunte
Holzkette geschenkt hatte, die sie niemals trug, trat Ugolino entgegen und
wollte ihm das Messer wegnehmen, obwohl der Sabiner einen Kopf größer war und
doppelt so stark. Doch Ugolino dachte gar nicht daran, der Aufforderung
nachzukommen.
    Â»Aufhören? Jetzt fängt der Spaß doch erst an!«
    Er stieß Domenico einfach beiseite, und bevor jemand ihn daran
hindern konnte, schlitzte er den Hosenbund seines Opfers auf.
    Plötzlich war Teofilo nackt.
    Â»Na, hast du deinen Liebsten so schon mal gesehen?«
    Chiara wusste nicht, wohin sie blicken sollte. Sie wollte davonlaufen,
aber zwei aus Ugolinos Bande hielten sie fest und zwangen sie, alles mit
anzuschauen. Gefangen in seinen Fesseln, zitterte Teofilo am ganzen Leib. Erst
jetzt bemerkte Chiara, dass ihr Freund von den Dornen zerkratzt war. An den
Armen, am Hals, im Gesicht – überall quoll Blut aus den Ritzen seiner Haut.
Ugolino richtete die Spitze seines Messers auf Teofilo und fuhr damit an seinem
Bauch entlang, ganz langsam und genüsslich.
    Â»Na, du Winzling, sollen wir dir die Eier abschneiden?«
    Während die Klinge gefährlich in der Sonne blinkte, näherte sich
Hufgetrappel. Chiara fuhr herum. Aus dem Wald drang das Geräusch von
splitterndem Geäst, als bräche eine Wildsau aus dem Unterholz hervor. Im
nächsten Moment galoppierte ein Reiter auf die Lichtung.
    Â»Gregorio!« Teofilo hatte seinen Bruder erkannt. »Hierher!«, rief
er. »Hier bin ich!«
    Gregorio parierte sein Pferd und trieb es in die Richtung des Baums,
an dem Teofilo angebunden war. Unsicher ließ Ugolino sein Messer sinken.
Gregorio war nicht nur mehrere Jahre älter, sondern galt auch als der stärkste
junge Ritter weit und breit.
    Chiara atmete auf. Doch als Gregorio sah, was los war, grinste er
über das ganze Gesicht.
    Â»Hat dir jemand die Hose geklaut, Bruderherz?« Mit gespieltem
Bedauern schüttelte er den Kopf. »Tss, tss, tss. Das wird deiner Mutter aber
gar nicht gefallen. Ihr kleiner Liebling splitternackt im Wald.«
    Â»Los, Gregorio, hilf mir! Die wollen mich kastrieren!«
    Sein Bruder zuckte nur mit der Schulter. »Was geht mich euer
Kinderkram an?« Er wendete sein Pferd und schnalzte mit der Zunge.
    Â»Bitte! Lass mich nicht im Stich!«
    Â»Was ist denn heute los mit dir?«, fragte Gregorio über die
Schulter. »Du bist doch sonst immer so stark! Zumindest mit deiner Klappe!«
    Er nahm die Zügel auf, um davonzureiten. In diesem Moment war es um
Teofilos Beherrschung geschehen. Obwohl er die Zähne so fest zusammenpresste,
wie er nur konnte, und kein einziger Laut über seine Lippen drang, spritzten
ihm die Tränen aus den Augen. Während die anderen in lautes Triumphgeheul
ausbrachen, riss Chiara sich von Ugolino los und bedeckte Teofilos
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher