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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb
Autoren: Brom
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grinste angestrengt und rang sich ein kleines Lachen ab, für das er sich sofort hasste. Nur eines war schlimmer, als herumgeschubst zu werden, nämlich so tun zu müssen, als ob man dazugehörte. In diesem Fall war Lachen genau die falsche Taktik. Nick war nicht in der Schule. Er war allein im Park, und das kraftlose Lachen verriet dem anderen Jungen, dass Nick kein Kämpfer war, sondern …
ein Opfer
.
    Die Stimme des Jungen wurde leiser, kalt und ernst. »Wie viel Geld haste dabei?«
    Der Tonfall machte Nick Angst. Er klang fies, nach einem Jungen, der möglicherweise einen Schritt zu weit gehen und ihn ernsthaft verletzen würde.
    »Ich bin mit meinem großen Bruder hier.« Nick gab sich Mühe, ganz locker zu klingen, als hätte er wirklich einen großen Bruder, der auf ihn aufpasste.
    Der andere Junge schaute sich nicht mal um. Er saß einfach mit vor der Brust verschränkten Armen da und betrachtete Nick mit einer Miene, die sagte:
Komm mir bloß nicht so
.
    »Er ist nur mal kurz da drüben in die Büsche gegangen.« Nick zeigte ins Dunkel zwischen den Bäumen. »Zum Pinkeln. Er kommt jede Sekunde zurück.«
    Natürlich erleichterte sich dort im Zwielicht kein großer Bruder, doch wenn einer der beiden Jungen hingesehen hätte, hätte er vielleicht einen goldäugigen Schatten bemerkt, der sich auf dem Ast einer großen Eiche langsam an sie heranschob.
    Der Teenager schüttelte bedächtig den Kopf. »Oooh Maaann.« Er ließ das Wort zu einem langgezogenen, enttäuschten Seufzer ausklingen, wie um zu fragen, warum Nick so einen netten Kerl wie ihn anlog.
    »Yo, was ist da in der Tasche?«
    Nicks Finger schlossen sich fester um die Trageriemen. Er wischte sich die Haare aus dem Gesicht und hielt nach einem Fluchtweg Ausschau.
    »Yo.« Der Junge musterte Nick aus zusammengekniffenen Augen. »Kenn ich dich nicht?«
    Nick gefror das Blut in den Adern.
    »Stimmt. Du wohnst in Markos Bude.«
    Das ist nicht Markos Bude, wollte Nick schreien. Es war das Haus seiner Großmutter. Marko sollte eigentlich nur ein Mieter sein, aber er und seine Bande hatten den Laden an sich gerissen, und Nicks Mutter, seine gottverdammte Mutter, hatte nicht das Geringste dagegen unternommen.
    »Ja«, sagte der Teenager. »Du bist der komische Typ, der oben bei seiner Mami wohnt und nie aus seinem Zimmer kommt. Marko meint, du bist schwul oder so.«
    Wenn der Kerl mit »komischer Typ« meinte, dass Nick nicht mit den Möchtegerns an der Straßenecke stand und den Frauen an den Hintern packte, dass er sich nicht ständig in den Schritt fasste und Mädchen nicht als Schlampen bezeichnete, dass er keine zu großen Pullis trug und nicht Tag und Nacht Gangster spielte, dann musste Nick ihm wohl recht geben. Aber Nick wusste, dass es nicht allein das war. Schon bevor sie umgezogen waren, in Fort Bragg, hatte er Schwierigkeiten damit gehabt, sich einzufügen. Aber hier in Brooklyn, wo »komischer Typ« praktisch ein Kosename war, verglichen damit, wie ihn die meisten anderen Jungen nannten, fühlte er sich langsam wie ein Aussätziger. Als käme er von einem fremden Planeten. In letzter Zeit versuchte er erst gar nicht mehr, Freundschaften zu schließen. Wahrscheinlich verbrachte er viel zu viel Zeit damit, in seinem Zimmer zu lesen, zu malen, Videospiele zu spielen und alles andere zu unternehmen, um solchen Mistkerlen wie dem hier aus dem Weg zu gehen.
    »He, hast du Bennie gesehen?«
    »Wen?«, fragte Nick und wich erneut einen Schritt zurück.
    »Was meinste mit wen? Bennie.
Mann
, der ist ständig bei euch. Haste ihn jetzt gesehen?«
    Nick schüttelte den Kopf und machte einen weiteren Schritt nach hinten, doch der Junge ließ sein Fahrrad näher heranrollen.
    »Hör mal, ich muss los«, sagte Nick. »Äh … ich muss eine Kleinigkeit für Marko erledigen. Du weißt schon.«
    »Wie? Marko? Du vertickst jetzt für Marko? Niemals.«
    »Nichts Großes«, fügte Nick hastig hinzu. »Nur ein kleiner Botengang.«
    »Ja, klar.« Plötzlich klang der Junge freundlich, als wäre er nicht eben noch kurz davor gewesen, Nick eine reinzuhauen und ihn auszunehmen. »Bennie hat ein gutes Wort für mich eingelegt. Meinte, dass Marko mich vielleicht auch bald ins Geschäft bringt.« Dann sagte er, als fiele es ihm jetzt erst ein: »Mann, du weißt, dass ich dich nur verarscht hab, oder? Alles klar bei uns, ja?«
    »Klar.« Nick zwang sich zu einem Lächeln. Hauptsache so schnell wie möglich weg von hier. »Wir sehen uns.« Er ging Richtung Spielplatz.
    »Yo«,
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