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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb
Autoren: Brom
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zornigen, blutunterlaufenen Augen.
Nein
, dachte Nick.
Es war ihr Fehler. All das. Sie ist diejenige, die diese Blutsauger überhaupt erst in Großmutters Haus gelassen hat. Nichts von alledem wäre passiert, wenn sie nicht so selbstsüchtig gewesen wäre
. Er spürte, wie ihm die Tränen kamen, und rieb sich wütend die Augen. »Scheiße«, sagte er. »Elende Scheiße.«
    Zwischen den Bäumen ertönte ein dumpfer Laut. Nick fuhr herum in der Erwartung, Marko oder die grauenvolle Frau mit den angemalten Lippen zu sehen. Doch außer den Bäumen und dem gelben Licht war nichts zu erkennen. Er schaute sich um. Es gab kein Anzeichen, dass jemand in der Nähe war. Eine unheimliche Stille hatte sich über den Park gesenkt.
    Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung. Ein Schatten von der Größe eines Kindes kletterte senkrecht an einem Baumstamm empor und verschwand im Geäst. »Was zum Teufel ist das?«, flüsterte Nick und beschloss dann, dass er es lieber nicht wissen wollte. Er drehte sich um und rannte Richtung Straße.
     
    Nick trat nur wenige Meter von der U-Bahn-Station entfernt aus dem Park. Als die Straße frei war, begann er, sie zu überqueren, doch nach drei Schritten erstarrte er.
    »Ach du …!« Am Treppengeländer lehnte Bennie, einer von Markos Jungs, einer von dem guten Dutzend Minderjähriger, die seinen Dreck vertickten. Ein kalter Schauer lief Nick über den Rücken.
Weiß Bennie Bescheid?
Der Kerl hatte sein Handy am Ohr.
Natürlich weiß er Bescheid
.
    Ein Hupen erinnerte Nick daran, dass er mitten auf der Straße stand. Er wirbelte herum, war mit einem Satz auf dem Gehsteig und eilte mit eingezogenem Kopf zurück in den Park.
Nicht rennen
, sagte er sich.
Er hat dich nicht gesehen. Geh ganz normal weiter. Bleib ruhig.
Als er wieder zwischen den Bäumen war, riskierte er einen Blick über die Schulter. Bennie war fort.
    Nick wusste, dass Bennie die ganze Truppe anrufen würde, falls er ihn gesehen hatte. Dann wären bald alle auf der Suche nach ihm.
Himmel
, dachte Nick,
was soll ich bloß machen?
Er drang tiefer in den Park vor, wobei er sich immer wieder nach Verfolgern umschaute.
Ich kann schließlich nicht ewig hierbleiben.
    »Yo, Kumpel. Was geht?«
    Nick stieß einen Schrei aus, als jemand auf einem aufgemotzten BMX-Rad an ihm vorbeifuhr, eine Kehrtwende hinlegte und sich ihm in den Weg stellte.
    Der Junge mit den zusammengekniffenen Augen sah ein paar Jahre älter aus als Nick. Er trug eine aufgeplusterte Jacke, die ihm mindestens zwei Nummern zu groß war, und eine weite,tief auf den Hüften hängende Hose. Blonde Rastazöpfe ragten unter seiner Baseballmütze hervor wie elektrisierte Raupen.
    Der Junge lehnte sich im Sattel zurück, und ein verschlagenes, höhnisches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht.
    Nicks Herz schlug wie wild.
Gehört er zu Markos Jungs? Auf jeden Fall sieht er aus wie einer von diesen Volldeppen.
    Der Junge mit den Raupen auf dem Kopf kratzte sich die Pickel am Kinn und stützte sich auf seinen Lenker. »Yo, Mann, hast ’n Dollar für mich?«
    Nick entspannte sich ein wenig. Das war nur irgend so ein Idiot, der ihn abzocken wollte. Bildete er sich denn wirklich ein, dass alle Jungs hier in der Gegend nach ihm suchten?
    Als Nick keine Antwort gab, seufzte der Raupenkopf, holte sich einen Klumpen Kaugummi aus dem Mund und klebte ihn auf seinen Lenker. Er bedachte Nick mit einem finsteren Blick, der ihm offenbar mitteilen sollte, dass es jetzt ernst wurde.
    Nick hatte es täglich mit solchen Arschlöchern zu tun. Eine kleine Demütigung, ein bisschen körperliche Misshandlung auf Kosten seiner Selbstachtung – hier hörte der Spaß nie auf. Doch im Moment hatte er keine Zeit für solche Spiele. Er musste von hier verschwinden. Nick überlegte, ob er dem Kerl einfach sein Geldbündel rüberschieben sollte, dann könnte er vielleicht wenigstens die Tasche behalten. Aber wie weit würde er ohne Bargeld kommen?
    »Yo, Kumpel, ich rede mit dir.« Der Tonfall des Teenagers verriet, dass der gute alte Nicky Boy seine Geduld ernsthaft auf die Probe stellte.
    Nick fragte sich, ob dieser spitznasige Möchtegerngangster in jeden seiner Sätze ein
Yo
,
Kumpel
oder
Mann
einbauen würde.
    »Yo, Mann«, sagte der Teenager, »biste taub, oder was?« Er schnippte direkt vor Nicks Nase mit den Fingern.
    Nick zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück.
    »Mann, jetzt machst du dir gleich in die Hose.« Der Jungeschnaubte. »Bleib locker, Kumpel. Ich verarsch dich doch bloß.«
    Nick
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