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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling
Autoren: Ellis Peters
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und es gab jüngere Männer, die seine Geschäfte weiterführen konnten.
    Er fragte mich, ob ich ihn begleiten wollte, und ich tat es.
    Meines Wissens hat es nie eine Auseinandersetzung zwischen ihm und Vater Elias gegeben. Vater Elias wußte, daß er ein guter Mann war.«
    »Die Guten, die vom rechten Pfad abweichen, richten mehr Schaden an als die Bösen, die unsere unverhohlenen Feinde sind«, sagte Chorherr Gerbert scharf. »Es ist der Feind im Innern, der die Festung verrät.«
    Und das, dachte Cadfael, entspricht genau dem Denken der Kirche. Ein Seldschuke oder Sarazene kann Christen in der Schlacht niederhauen oder verirrte Pilger in den Kerker werfen und wird dennoch toleriert und geachtet, obwohl er von vornherein als Verdammter gilt. Aber sobald ein Christ auch nur einen kleinen Schritt vom Wege abweicht, wird er zum Ausgestoßenen. Das hatte er vor Jahren im Osten erlebt, in den zugegebenermaßen umzingelten christlichen Kirchen.
    Obwohl vom Feind bedrängt, waren es die eigenen Leute, gegen die sie am erbittertsten zu Felde zogen. Hier zu Hause hatte er dergleichen noch nie erlebt, aber es war durchaus möglich, daß es bald ebenso an der Tagesordnung sein würde wie in Antiochia oder Alexandria. Allerdings nicht, solange Radulfus es verhindern konnte.
    »Sein eigener Priester scheint William nicht für einen Feind gehalten zu haben, weder im Innern noch draußen«, sagte der Abt gelassen. »Aber Diakon Serlo ist hier und kann uns berichten, was ihm von dem Disput im Gedächtnis geblieben ist. Und es ist nur gerecht, daß Ihr uns anschließend sagt, wie Euer Herr vor seinem Tode dachte, damit wir sicher sind, daß er einer Beisetzung innerhalb dieser Mauern würdig ist.«
    »Redet!« sagte Gerbert, als Serlo zögerte, bestürzt und unglücklich ob der Dinge, die er in Gang gesetzt hatte. »Und erinnert Euch genau! Welches waren die Ansichten dieses Mannes, die Anstoß erregten?«
    »Es standen gewisse Punkte von relativ geringem Belang zur Debatte«, sagte Serlo unterwürfig. »Zwei vor allem, abgesehen von seinen Zweifeln hinsichtlich der Kindstaufe. Er hatte Mühe, die Dreifaltigkeit zu begreifen …«
    Wer hat die nicht! dachte Cadfael. Wenn sie zu begreifen wäre, dann gäbe es für alle Ausleger des göttlichen Worts nichts mehr zu tun. Und jeder von ihnen bestreitet die Auslegung, zu der jeder andere von ihnen gelangt ist.
    »Er sagte, wenn der Erste der Vater wäre und der Zweite der Sohn, wie könnten sie dann gleichermaßen ewig und gleichrangig sein? Und was den Heiligen Geist anging, so vermochte er nicht zu begreifen, wie er mit dem Vater oder mit dem Sohne gleichrangig sein könnte, da er doch von ihnen ausginge. Außerdem sah er keine Veranlassung für ein Drittes, da doch Schöpfung, Erlösung und alle Dinge voll und ganz bei Vater und Sohn lägen. Deshalb diente das Dritte nur dazu, die Vision derer zu befriedigen, die in der Dreizahl etwas Besonderes sehen, wie die Sänger und Wahrsager und alle, die sich mit Magie beschäftigen.«
    »Das hat er von der Kirche gesagt?« Gerberts Gesicht war starr vor Entrüstung.
    »Nein, nicht von der Kirche, nein, ich glaube nicht, daß er etwas dergleichen gesagt hat. Und die Dreifaltigkeit ist eines der ganz großen Geheimnisse, viele haben Schwierigkeiten damit.«
    »Es ist nicht ihre Sache, sie mit ihrem ungeschulten Verstand in Frage zu stellen oder zu erörtern; sie müssen sie mit blindem Glauben hinnehmen. Die Wahrheit wurde ihnen vor Augen geführt, sie brauchen sie nur zu glauben. Es sind die Verderbten und Gefährlichen, die die Arroganz besitzen, sich mit Scheingründen über das Unerklärliche zu ergehen. Weiter!
    Zwei Punkte, habt Ihr gesagt. Welches ist der zweite?«
    Serlo warf einen fast entschuldigenden Blick auf Radulfus und einen noch rascheren und gequälteren auf Elave, der ihn die ganze Zeit mit zusammengezogenen Brauen und vorgerecktem Kinn anstarrte, bislang noch nicht von Angst, Zorn oder einem anderen Gefühl ergriffen, sondern lediglich abwartend und zuhörend.
    »Es ergab sich aus dem gleichen Problem, das den Vater und den Sohn betraf. Er sagte, falls sie aus ein und demselben Wesen bestünden, da die Lehre sie als wesensgleich bezeichnet, dann müßte das Eintreten des Sohnes in die Menschheit bedeuten, daß auch der Vater in sie eingetreten ist.
    Und deshalb wüßten Vater und Sohn gleichermaßen um das Leiden und den Tod und die Auferstehung und bewirkten als ein einziges Wesen unsere Erlösung.«
    »Das ist die
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