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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling
Autoren: Ellis Peters
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Ruhestätte für ihn zu bitten.«
    »Hier auf dem Grund der Abtei?« fragte Cadfael.
    »Ja. Ich habe darum gebeten, morgen beim Kapitel angehört zu werden. Er war zeit seines Lebens ein großer Gönner dieses Hauses, der Vater Abt wird sich daran erinnern.«
    »Es ist ein anderer Abt, den wir jetzt haben, aber Prior Robert wird sich erinnern und viele andere unter uns. Und Abt Radulfus wird Euch anhören, von ihm braucht Ihr keine Ablehnung zu befürchten. Euer Herr William wird genug Zeugen haben. Aber es tut mir leid, daß er nicht lebendig heimkehrte, um uns von seiner Reise zu erzählen.« Er betrachtete den schlanken jungen Mann vor sich mit wohlbedachtem Respekt. »Aber Ihr habt gut an ihm gehandelt, und es muß ein beschwerlicher Weg für Euch gewesen sein, diese letzte Strecke. Ihr wart kaum erwachsen, als er mit Euch aufbrach.«
    »Ich war knapp neunzehn«, sagte Elave lächelnd.
    »Neunzehn, aber kräftig wie ein Pferd. Jetzt bin ich sechsundzwanzig und kann auf eigenen Beinen stehen.« Er musterte Cadfael so eindringlich, wie er selbst gemustert wurde. »Ich erinnere mich an Euch, Bruder. Ihr seid derjenige, der vor langer Zeit selbst im Osten gekämpft hat.«
    »So ist es«, gab Cadfael fast glücklich zu. Angesichts dieses jungen Mannes, heimgekehrt von Orten, die er einst gut gekannt hatte und die für ihn voller Erinnerungen waren, spürte er, wie die alte Sehnsucht erneut in ihm erwachte und die alten Geister sich wieder regten. »Wenn Ihr Zeit habt, können wir beide, Ihr und ich, uns über vieles unterhalten. Aber nicht jetzt!
    Wenn Ihr nicht von der Reise erschöpft seid, dann solltet Ihr es eigentlich sein, und morgen wird sich vielleicht ein geeigneter Zeitpunkt finden. Und jetzt geht lieber und seht zu, daß Ihr Schlaf bekommt. Ich muß zur Komplet.«
    »Ihr habt recht«, pflichtete Elave ihm bei. »Ich bin sehr froh, hier zu sein und getan zu haben, was ich meinem Herrn versprochen habe. Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Bruder, und ich danke Euch.«
    Cadfael sah ihm nach, wie er den Hof überquerte und die Stufen des Gästehauses hinaufging, ein zäher, ausdauernder junger Mann, der in sieben Jahren mehr von der Welt gesehen hatte als andere in ihrem ganzen Leben. Niemand innerhalb dieser Mauern konnte ihm im Geiste dorthin folgen, wo er gewesen war, niemand außer Cadfael. Der alte Appetit regte sich heißhungrig, nach langen Jahren der Stille und des inneren Friedens.
    »Habt Ihr ihn wiedererkannt?« fragte Edmund, der neben Cadfaels Schulter auftauchte. »Er war ein-oder zweimal im Auftrage seines Herrn hier, das weiß ich noch, aber zwischen ungefähr Achtzehn und der Mitte der Zwanziger kann ein Mann sich bis zur Unkenntlichkeit verändern, insbesondere ein Mann, der bis ans Ende der Welt und wieder zurück gereist ist.
    Manchmal frage ich mich, Bruder Cadfael, ob ich auch nur die geringste Ahnung davon habe, was mir entgangen ist.«
    »Und seid Ihr Eurem Vater dankbar dafür, daß er Euch in Gottes Haus gegeben hat?« fragte Cadfael. »Oder wünscht Ihr Euch, daß er Euch eine Chance zum Leben unter Männern gegeben hätte?« Sie waren lange genug enge Freunde, daß derartige Fragen statthaft waren.
    Bruder Edmund lächelte sein stilles Lächeln. »Ihr zumindest könnt niemandes Handeln in Frage stellen als Euer eigenes.
    Ich gehöre einer vergangenen Ordnung an, Bruder Cadfael.
    Leute wie mich wird es nicht mehr geben, zumindest nicht unter Radulfus. Kommt, laßt uns zur Komplet gehen und um die Beständigkeit beten, die wir gelobt haben.«
    Der junge Mann Elave durfte am nächsten Morgen vor dem Kapitel erscheinen, sobald die dringendsten Haushaltsangelegenheiten erledigt waren.
    Die Zahl der Teilnehmer war an diesem Tag um die zu Gast weilenden Kleriker erhöht. Chorherr Gerbert, fürs erste daran gehindert, seinen Auftrag zu erfüllen, konnte nichts tun, als seine ungeforderten Energien auf die Einmischung in alle möglichen Dinge zu richten; er thronte während der gesamten Sitzung neben Abt Radulfus, und der Diakon des Bischofs, dem Chorherrn zu treuen Diensten zugewiesen, stand pflichteifrig an seiner Seite. Wie Hugh gesagt hatte, war er ein sanftmütiger kleiner Mann mit einem weichen, runden, klugen Gesicht, der ehrfürchtig zu Gerbert aufblickte. Er mochte in den Vierzigern sein, glattwangig, rosig und gesund, mit einem dünnen, ergrauenden Ring aus blondem Haar, stellenweise von beginnender Kahlheit durchbrochen. Zweifellos hatte er unterwegs von seinem mächtigen Begleiter
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