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Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Der katholische Bulle: Roman (German Edition)

Titel: Der katholische Bulle: Roman (German Edition)
Autoren: Adrian McKinty
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übersehen. Aber was? Es hatte etwas mit der Leiche zu tun, oder? Da hatte etwas nicht gestimmt.
    Der Wind zerrte an den Regenrinnen. Der Regen prasselte gegen das Fenster. Ich fror. Sollte wohl wieder ein »Jahr ohne Sommer« für Ulster werden.
    Aus irgendwelchen obskuren Gründen hatten die Vormieter den Kamin verstopft, so dass man weder oben noch unten Feuer machen konnte. Ich war davon ausgegangen, mir darüber bis November keine Gedanken machen zu müssen, aber jetzt würde ich wohl doch jemanden holen, der sich das mal ansah.
    Ich lag da und dachte nach; dann fiel mir die Frage vom Chef wieder ein: Warum war ich zur Polizei gegangen?
    Und zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden kam mir der Zwischenfall in den Sinn.
    Kein Wort davon in meiner psychologischen Begutachtung. Und auch meine ehemaligen Freundinnen hatten keine Ahnung. Ich hatte nie mit jemandem darüber gesprochen. Nicht mit meiner Ma. Nicht mit meinem Dad. Nicht mal mit einem Priester. Ziemlich ungewöhnlich für ein Plappermaul wie mich.
    Es war der 2. Mai 1974 gewesen. Ich hatte zwei Jahre meines Doktorandenstudiums hinter mir. Es war ein hübscher Frühlingstag. Ich kam gerade an der Rose and Crown Bar auf der Ormeau Road vorbei, keine zwanzig Meter von meiner Studentenbude entfernt.
    Es war das schlimmste Jahr der Troubles, mich persönlich hatte das aber nicht betroffen. Noch nicht. Noch war ich unparteiisch. Versuchte, mich fernzuhalten. Zog mein eigenesDing durch. Partei ergriffen hatte ich bestenfalls ein Mal nach dem Bloody Sunday, als mein Dad und ich zu den Beerdigungen in Derry gingen und ich einen Tag lang überlegte, zur IRA zu gehen.
    Schon komisch, wie sich die Dinge so entwickeln, nicht wahr?
    2. Mai 1974. Das Rose and Crown war eine Studentenkneipe. Während meiner Zeit an der Uni war ich vielleicht dreihundert Mal auf ein Bierchen dort gewesen. Meine Kneipe um die Ecke. Ich kannte alle Stammgäste. Normalerweise wäre ich um diese Uhrzeit dort gewesen, aber wie der Zufall so spielte, hatte ich mich mit einem Mädchen an der Studentenvertretung verabredet, und ich hatte schon genug getrunken.
    Die Bombe ging ohne jede Vorwarnung hoch. Die UVF (die Ulster Volunteer Force, eine illegale protestantische Paramiliz) bekannte sich zu dem Anschlag. Später behauptete die UDA (die Ulster Defence Association, noch so eine protestantische Paramiliz), sie seien es gewesen. Noch später behauptete die UVF, es habe sich um eine Bombe der IRA gehandelt, die vorzeitig hochgegangen sei. Mir war das vollkommen egal. Diese Buchstabensuppe ging mir am Arsch vorbei.
    Ich war nicht schwer verletzt. Ein geplatztes Trommelfell, Abschürfungen, Schnitte von den Glassplittern. Nein, ich war okay, aber drinnen war das reinste Chaos. Ein Schlachthof.
    Ich war der Erste, der durch die zerstörte Eingangstür hineinging. Und das war der Augenblick … Das war der Augenblick, in dem ich wusste, dass ich meinen kleinen Beitrag dazu leisten wollte, diesen Wahnsinn zu beenden. Entweder abhauen oder etwas unternehmen. Ich entschied mich für Letzteres.
    Die Polizei war hoch erfreut, mich aufzunehmen. Uni-Absolvent, Psychologe und – das Wichtigste von allem – Katholik.
    Und nun, sieben Jahre später, nach dem Dienst an der Grenze, der Fortbildung zum Kriminalbeamten, einer Kindsentführung, einem Aufsehen erregenden Heroinfund und mehreren Morduntersuchungen, war ich als frisch beförderter Detective Sergeant dem relativ sicheren RUC-Revier in Carrickfergus zugeteilt worden. Ich wusste, warum sie mich hierher geschickt hatten. Ich war hier in Sicherheit, und ich sollte lernen …
    Ich setzte mich im Bett auf, machte das Radio an und erfuhr das Neueste über den Papst. Er lebte noch immer, der zähe alte Knochen. Ich kniete mich hin und murmelte ein kurzes, verlegenes Dankgebet.
    »Warum ist es so verdammt kalt?«, sagte ich, nahm Decke und Kissen und trug beides auf den Treppenabsatz hinaus vor den Petroleumofen – aus der Arktis in die Tropen. Dann rollte ich mich wie ein Baby auf dem Dielenboden zusammen und schlief sofort ein.
    Regen.
    Dieser Regen. Lugh zieht Sonne und Meer an sich und verwandelt sie in Regen.
    Ich erwachte aus einem Traum über Wasser.
    Licht.
    Wärme.
    Mein Körper schwebte auf Petroleumdämpfen über Fluss und Meer.
    Nebenan Kinderlachen, dann donnerte etwas Schweres gegen die Wand. Die Bridewell-Jungs mussten ständig raufen.
    Ich schlug die Augen auf. Meine Kehle war trocken. Der Treppenabsatz erschien blau im Licht der
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