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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator
Autoren: Charles L. Harness
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der Er­in­ne­rung. Da­mals an der Brücke. Ja, dort war es ge­we­sen. Die Wei­den bei der Brücke. Aber er war nicht si­cher, ob er sich tat­säch­lich dar­an er­in­nern woll­te. Denn auf der Brücke hat­te er den zwei­ten Stein ge­wor­fen, und er war nir­gends auf­ge­schla­gen. Und dann war da die­se Ge­stalt auf der Brücke ge­we­sen. Al­les das hat­te ihn (wenn er aber­gläu­bisch sein woll­te) zu die­sem Punkt ge­führt. Die Brücke hat­te hier­her ge­führt. Das, was vor­aus­geht, ist die Ur­sa­che. War es so?
    Er dach­te an den Wei­den­hain bei der Brücke. In sei­nen letz­ten Jah­ren in Da­mas­cus war es ein lang­ge­heg­ter ero­ti­scher Wunsch­traum für ihn ge­we­sen, mit ei­nem Mäd­chen über den Pfad von der Stra­ße her­auf hier­her zu kom­men und es auf dem von kar­gem tro­ckenem Gras und Laub be­deck­ten Bo­den un­ter den Wei­den zu lie­ben, am liebs­ten an ei­nem war­men Som­mer­abend, kurz nach Son­nen­un­ter­gang, wenn der Zie­gen­mel­ker zu ru­fen an­ge­fan­gen hat­te. Und es muß­te ein ganz be­son­de­res Mäd­chen sein, ei­nes wie Ma­ry Der­rin­ger.
    Er beug­te sich hin­über und küß­te sie. Schlaf­trun­ken schlug sie die Au­gen auf, aber dann be­griff sie die Si­tua­ti­on. Sie stand auf und strich ihr Kleid glatt. Paul half ihr, den Ver­schluß ih­res Büs­ten­hal­ters und die klei­nen, blau­en Knöp­fe an ih­rer Blu­se zu schlie­ßen. Er zupf­te ein to­tes Wei­den­blatt aus ih­rem Haar.
    Gleich­zei­tig ho­ben sie die Köp­fe – ir­gend­wo un­ten auf dem Lein­pfad war ein fer­nes Ge­räusch zu hö­ren.
    Sie hat­ten noch viel Zeit. Er hielt ihr den Spie­gel vors Ge­sicht, wäh­rend sie die Haar­na­deln aus den Lo­cken über ih­rer Stirn zog und ihr Haar aus­bürs­te­te. Sie mach­te sich nicht die Mü­he, die Lo­cken neu zu le­gen; sie teil­te ihr Haar ein­fach in der Mit­te und ließ es lang über ih­re Oh­ren her­ab­fal­len. Da­bei summ­te sie vor sich hin, und ganz un­ver­hofft war sie wie­der frisch, adrett und un­zer­knüllt. Paul schüt­tel­te er­staunt den Kopf. Sie hat­te mit ih­rer ma­gi­schen Hand über sich hin­weg­ge­stri­chen, und die Fal­ten in ih­rer Tu­ni­ka wa­ren ver­schwun­den. So­gar der ro­si­ge Fleck auf ih­rer Wan­ge, wo sie auf sei­nem Arm ge­le­gen hat­te, war nicht mehr da, und strah­lend stand sie vor ihm.
    Ah, Ma­ry, mei­ne Freun­din, mei­ne Ge­lieb­te.
    Aber die gol­de­ne Stun­de war vor­über. Sie muß­ten zu­rück. Zu­rück zum Ho­tel. Zu­rück zur New Yor­ker U-Bahn. Tren­nung. Zu­rück nach As­h­kett­les und war­ten auf das Ur­teil. Kopf: Kuss­man ge­winnt. Zahl: Ich ver­lie­re.
    Ich wünsch­te … Was er sich wünsch­te, hat­te ir­gend et­was mit Ma­ry zu tun. Aber er konn­te es nicht in Wor­te fas­sen. Noch nicht … noch nicht.
    Bei Ma­ry hat­te der gan­ze Aus­flug ein er­fül­len­des und zu­gleich bi­zar­res Ge­fühl von déjà vu her­vor­ge­ru­fen, als ha­be sie vor­aus­ge­se­hen, daß sie mit Paul un­ter den Trau­er­wei­den bei der Auf­fahrt zu ei­ner Brücke lie­gen wür­de. Aber sie wuß­te, daß es noch nicht vor­über war. Sie wür­de die Brücke wie­der­se­hen, und beim nächs­ten Mal wür­de die Ge­stalt auf der an­de­ren Sei­te ihr ein ganz be­stimm­tes Zei­chen ge­ben, und sie wür­de sein Ge­sicht se­hen … nicht Pauls … nicht Dr. Se­ra­nes … aber sie wür­de ihn so­fort er­ken­nen.
     
     
    Fünf­zehn Ta­ge nach der Schluß­an­hö­rung kam die Ent­schei­dung des Prü­fungs­aus­schus­ses für Pa­tent­über­schnei­dun­gen über den Te­le­ko­pie­rer her­ein. Se­ra­ne war ein­stim­mig als Ers­ter­fin­der an­er­kannt wor­den.
    Er hat­te ge­won­nen.
    Als ers­tes rief er Se­ra­ne an.
    Dann schrieb er ei­ne Ak­ten­no­tiz an Kuss­man. Am nächs­ten Tag rief Kuss­man ihn zu sich. „Sie kön­nen im­mer noch in die Be­ru­fung ge­hen, nicht wahr?“
    „Ja na­tür­lich, aber ich be­zweifle, daß sie es tun wer­den. Nicht bei ei­ner ein­stim­mi­gen Ent­schei­dung.“
    „Wie lang ist die Frist, die sie ha­ben?“
    „Zwan­zig Ta­ge.“
    „In­fan­ti­le­ren Sie mich, falls sie doch Be­ru­fung ein­le­gen.“ Die Frist ver­strich, und Deut­sche ging nicht in die Be­ru­fung. Der Se­ra­ne-Ka­ta­ly­sa­tor
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