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Der Katalysator

Der Katalysator

Titel: Der Katalysator
Autoren: Charles L. Harness
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durch die of­fe­ne Tür hin­ein­dräng­ten. Keu­chend stan­den sie da und schau­ten sich un­si­cher um. Das Haus war of­fen­sicht­lich auf al­ten Stein­fun­da­men­ten wie­der­auf­ge­baut wor­den. Der Mör­tel in den Grund­mau­ern und im zen­tra­len Ka­min war ver­wit­tert, alt und ru­ßig wie von ei­nem längst ver­ges­se­nen Feu­er. Aber Holz­werk und Wän­de wa­ren neu.
    Einen Fuß­bo­den gab es nicht. Die Er­de war von ei­nem Fleck­en­tep­pich aus Wei­den­blät­tern und Moos be­deckt. Durch die Fens­ter wa­ren ein paar Trau­er­wei­den zu se­hen. An der Ge­schich­te die­ses Hau­ses konn­te es jetzt kaum einen Zwei­fel ge­ben. Ur­sprüng­lich muß­te es ein Schleu­sen­haus ge­we­sen sein, der Wohn­sitz des Schleu­sen­wär­ters und sei­ner Fa­mi­lie. Aber vor lan­ger Zeit war das Ge­bäu­de ab­ge­brannt, und nur der Ka­min (der jetzt durch die Mit­te des Daches rag­te) und die stei­ner­nen Grund­mau­ern wa­ren ste­hen­ge­blie­ben. Und dann hat­ten die Wei­den die Rui­ne in Be­sitz ge­nom­men. Ih­re Äs­te wa­ren über die ver­fal­le­nen Blät­ter auf die Asche her­ab­ge­fal­len, die ein­mal der Fuß­bo­den des Hau­ses ge­we­sen war, bis der ge­sam­te In­nen­raum un­ter ei­ner schwam­mi­gen Mas­se ver­schwun­den war, die den Bo­den wie ein di­cker Tep­pich be­deck­te, tief und üp­pig. Aber das war nicht das En­de des Fuß­bo­dens ge­we­sen. Im Lau­fe der Jah­re hat­ten sich in den schat­ti­ge­ren Win­keln der Rui­ne Moos­fle­cken aus­ge­brei­tet, und jetzt, da das Haus mit ei­nem Dach ver­se­hen wor­den war, das den gan­zen In­nen­raum ver­dun­kel­te, brauch­te das Moos nicht mehr zu be­fürch­ten, un­ter den in je­dem Herbst her­ab­fal­len­den Wei­den­blät­tern zu er­sti­cken, und so hat­te es jetzt, im Sep­tem­ber 2006, be­reits mehr als die Hälf­te des Laub­tep­pichs be­siegt. Ein Be­su­cher mit Ge­schmack konn­te so zwi­schen zwei Tep­pich­far­ben wäh­len; er konn­te sich aus­su­chen, ob er sich auf ei­ner grü­nen, ei­ner brau­nen oder ei­ner bunt­sche­cki­gen Un­ter­la­ge nie­der­las­sen woll­te.
    Sie stan­den im Ein­gang und schau­ten hin­aus in den Re­gen.
    „Die­ses Haus muß ei­ne Men­ge Ge­schich­te mit­er­lebt ha­ben“, mein­te Paul. „Ge­or­ge Wa­shing­ton be­gann den Bau des Ches­a­pea­ke- und Ohio-Ka­nals. Wer weiß, viel­leicht hat er hier über­nach­tet.“
    „Das glau­be ich nicht“, sag­te Ma­ry nüch­tern. „Wenn er hier ge­schla­fen hät­te, hät­te die Park­be­hör­de ein Schild auf­ge­stellt.“
    Sie sa­hen sich im Hau­se um. „Die De­cke scheint ziem­lich dicht zu sein“, be­merk­te Paul. „Nir­gends dringt auch nur ein Trop­fen ein.“ Er wan­der­te im Raum um­her. „Ir­gend­wann wer­den sie ver­mut­lich einen Ei­chen­bo­den ein­zie­hen und die­sen wun­der­vol­len Moos­tep­pich rui­nie­ren. Sieh ihn dir nur an! Er muß we­nigs­tens hun­dert­fünf­zig Jah­re alt sein.“ Er schau­te auf die Uhr. „Ein Uhr. Laß uns et­was es­sen.“
    Sie setz­ten sich mit ge­kreuz­ten Bei­nen auf das Moos und ver­zehr­ten die Sand­wi­ches und ein Stück Ap­fel­ku­chen. Wäh­rend sie kau­ten, starr­ten sie ge­dan­ken­ver­lo­ren durch die of­fe­ne Tür hin­aus und die Bö­schung hin­un­ter auf das Was­ser, das im her­nie­der­pras­seln­den Re­gen weiß auf­schäum­te. Paul schraub­te die Ther­mos­fla­sche auf und stell­te die bei­den Papp­be­cher auf den Bo­den.
    Plötz­lich fiel ihm ein, daß in sei­ner Ja­ck­en­ta­sche ein Grammpäck­chen Tria­lin steck­te. Er hat­te es für die An­hö­rung mit­ge­bracht, aber es hat­te sich kei­ne Ge­le­gen­heit er­ge­ben, zu der er es ge­braucht hät­te. Er dach­te an den letz­ten Brief von Mu­ker­jee, in dem der Hin­du von der ora­len Ver­ab­rei­chung in ei­ner Ver­bin­dung mit 2,6-Dihy­dro­xy­pu­rin ge­spro­chen hat­te. Der Tee ent­hielt je­de Men­ge von die­sem Pu­rin. Er riß das Päck­chen auf.
    Warum woll­te er es tun? Es war nicht si­cher. Er dach­te an den Ozon­ge­ruch und an die ver­wa­sche­ne Ta­fel vor der Tür. Zu­min­dest wür­de es nicht scha­den.
    „Tria­lin“, er­klär­te er Ma­ry. „Es ver­bin­det sich mit Pu­ri­nen, Xan­thi­nen und Tan­ni­nen
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