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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph
Autoren: Petra Gabriel
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heraus.
«Das habt Ihr nun davon, wenn Ihr Euch über mich armen
Schlucker lustig macht», brummte Matthias Ringmann. Doch sein
Tonfall klang keineswegs beleidigt. «Glücklicherweise war es
schon dunkel und die Kartäuser nicht weit entfernt», fuhr er
fort. «Die guten Mönche liehen mir ein Habit. Ihr kennt doch
Locher?»
«Ja, flüchtig. Hat er nicht ein begeistertes Gedicht zur zweiten Ausgabe von Reischs Margarita geschrieben und sich im Übrigen mit fast allen Freunden von Reisch
angelegt? Er steht außerdem in dem Ruf, ziemlich nachtragend zu
sein. Was habt Ihr ihm denn getan, dass er Euch so misshandelt
hat?»
«Ihm widersprochen. Das kann dieser dickschädelige Schwabe
einfach nicht ertragen. Er glaubt, nur die Strömung des
Humanismus, die er vertritt, ist die richtige. Mich zählt er zu
den ‹alten Herren›, den Konservativen. Was sicher in
gewissem Sinne auch stimmt. Jedenfalls bin ich dabei in guter
Gesellschaft mit der Humanistengruppe um Jakob Wimpfeling und Sebastian
Brant. Letzterer hat seine literarische Laufbahn übrigens hier in
Basel als Lektor und Editor begonnen. Locher passt jedenfalls unsere
scholastische Theologie und Philosophie nicht.»
«Deswegen hat er Euch eins über den Schädel gezogen?»
«Acht. Es waren acht, die mir eins über den Schädel
gezogen haben. Und möglicherweise auch nicht nur deshalb.»
Philesius grinste.
«Ha, es steckte wohl ein Weib dahinter?»
«Ihr verzeiht, mein Freund, wenn ich dazu nichts weiter
erkläre, sondern es bei der offiziellen Version für die
Geschichtsschreiber belasse.»
«Und, ist Euer Schädel geheilt?», erkundigte sich Ilacomylus.
Die schlaksige Gestalt von Philesius wurde von einem erneuten
Hustenanfall geschüttelt. Dieses Mal war er jedoch nicht so
schlimm wie der vorhergegangene. Das Keuchen ging nahtlos in ein Lachen
über. «Wie Ihr seht, mein Freund. Nur meine Hakennase ist
ein wenig platter geworden, was ihr nicht geschadet hat. Dadurch wurde
mein Gesichtsausdruck wenigstens einigermaßen intelligent. Auch
mich hat Reisch übrigens in Mathematik unterrichtet, wenn auch
wohl nach Euch. Zudem habe ich in Heidelberg studiert. Und
außerdem in Paris, wie Ihr ja schon gehört habt. Dort lernte
ich Griechisch, bei Fausto Andrelino die Kunst der Poesie, bei
Levèvre d’Étaples, dem großen Meister,
Kosmographie, Philosophie und Mathematik. Etwas Hebräisch spreche
ich ebenfalls. In Paris habe ich auch die erste Edition von Vespuccis Mundus Novus entdeckt. Es war wie eine Offenbarung.» Er machte eine nachdenkliche Pause.
«Und wie ging es dann mit Euch weiter?»
«Oh, neben Euch geht ein Mann, der nicht gerade das ist, was man
einen erfolgreichen Gelehrten nennt. Danach folgten klägliche
Versuche, meinen Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern. Ich habe unter
anderem damit begonnen, in Colmar eine Lateinschule ähnlich der
berühmten Stätte in Schlettstadt aufzubauen. Doch meine
Unterrichtsmethoden gefielen den Eltern meiner – zugegeben
wenigen – Schüler nicht. Obwohl sie von Étaples
inpiriert waren. Kurz, sie haben mich zum Teufel gejagt. Nun bin ich
Lektor bei Grüninger in Straßburg, dem Onkel von Marie. Ich
habe sie übrigens nach Basel begleitet. Auf diese Weise konnte ich
Bruno und Basilius wiedersehen. Zumindest war das mein Vorwand.»
Ringmann schaute zu Martin Waldseemüller hinüber. Die Wolken
des nächtlichen Gewitters hatten sich teilweise verzogen. Das
Licht des Halbmondes beleuchtete das Gesicht des Mannes, den er erst an
diesem Tag kennengelernt hatte. Matthias Ringmann hatte dennoch das
Gefühl einer großen Vertrautheit. Er sah einen
mittelgroßen Mann, drahtig, in etwas verschlissener Kleidung, die
Absätze seiner Schuhe waren schief gelaufen. Nur der braune Umhang
schien relativ neu zu sein. Doch obwohl er nicht groß war, fast
einen Kopf kleiner als er selbst, wirkte Martin Waldseemüller
nicht wie einer dieser typischen kleinen Männer, die ständig
so gehen, als müssten sie der Welt etwas beweisen. Sein Gesicht
war glatt rasiert. Ein gutes Gesicht, ehrlich. Eines, das von einem
Menschen erzählte, der das Träumen noch nicht verlernt hat.
Waldseemüller hatte die braunen Augen aufmerksam auf ihn
gerichtet. In seinem Blick brannte eine Frage. Er stellte sie nicht.
Matthias Ringmann verstand sie trotzdem. «Bevor Ihr Euch noch
länger quält: Nein, Marie Grüninger interessiert sich
wirklich nicht für mich, sie spielt nur gerne mit ihren Verehrern.
Sie ist zu klug, um sich einen armen Schlucker zu nehmen. Wenn
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