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Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum

Titel: Der kalte Traum - Bottini, O: Der kalte Traum
Autoren: Oliver Bottini
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einen Mann gesehen, der sich so gelassen bewegte. Der Gang eines Mannes, der sich seiner Fähigkeiten völlig gewiss war. Der kein Zaudern kannte.
    »Wird er es tun?«, fragte er.
    Jordan erwiderte seinen Blick. »Nein, ich werde es tun.«
    Sjelo hatte den Wagen erreicht. Jordan öffnete ihm die rechte hintere Tür, und er stieg ein.
    »Bog«, sagte Jordan.
    »Bog«, erwiderte Sjelo.
    Sie reichten sich die Hand.
    »Du erinnerst dich an Igor?«
    Sjelo nickte. Er wies auf Thomas. »Ćavar, nehme ich an.«
    »Ja.«
    »Wir sind gestern seinem Freund begegnet.«
    »Ich weiß«, sagte Jordan.
    »Welchem Freund?«, fragte Thomas auf Kroatisch.
    Sjelo beachtete ihn nicht. Er zog zwei rote Pässe aus der Innentasche. Ein polnischer EU -Pass, ein russischer. Igor nahm den polnischen, Jordan den russischen. Sie sollten sich, sagte Sjelo, in zwei Monaten bei Marković melden. Er werde ihnen Kontaktpersonen nennen, die neue Pässe bereithielten. Sie würden weiterreisen. In sechs, sieben Monaten könnten sie nach Kroatien oder Bosnien zurückkehren.
    »Ljubuški«, sagte Igor, und Jordan lächelte.
    Sjelo reichte ihnen jeweils zwei Briefumschläge. Adressen, Geld in der Landeswährung. Sie lernten die Adressen auswendig, verbrannten die Zettel im Aschenbecher.
    Sie sprachen darüber, wo sie sich trennen würden. Wie sie im Notfall Kontakt zueinander aufnehmen würden.
    Thomas hörte und sah zu. Sie sprachen über eine Welt, der er nicht mehr angehören würde. Er gehörte, dachte er, schon jetzt nicht mehr dazu.
    »Gehen wir«, sagte Sjelo.
    Sie stiegen aus, warfen die Türen zu. Thomas schloss die Augen. Er wollte nicht, dass sie ihn weinen sahen.
    Andererseits, es spielte keine Rolle.
    Schritte, die sich langsam entfernten.
    Er drehte den Kopf, sah Igor und Sjelo über das Parkdeck davongehen.
    Jordan stand an der Heckklappe. Jetzt öffnete er sie.
    »Welcher Freund, Saša?«
    »Marx.« Jordan richtete die Pistole auf ihn. »Noch einmal: Zbogom, Kapetane .«
    »Zbogom, Jelena«, flüsterte Thomas.
    Ein Schuss fiel, Jordan wurde in den Heckraum geschleudert, sackte schwer auf ihn. Aus einem großen Loch in seinem Rücken strömte Blut. Instinktiv griff Thomas nach der Hand, die die Pistole hielt, und umklammerte sie. Aber in Jordans Körper war kein Leben mehr.
    Draußen krachten erneut Schüsse. Schreie erklangen, eine donnernde, von einem Megaphon verstärkte Stimme.
    Polizisten.
    Sjelo kniete auf dem Asphalt, die Hände in die Höhe gestreckt. Igor kroch über das Parkdeck, feuerte immer wieder. Auf wen, konnte Thomas nicht erkennen.
    Auch die Polizisten schossen.
    Igor ließ die Waffe fallen, sank sehr langsam auf die Seite.
    Der Regen fiel unverändert stark.
    Eine Handvoll Männer rannten über das Parkdeck. Thomas sah das Wasser unter ihren Schuhen aufspritzen, zu hören war nur das Tropfengetrommel auf dem Wagendach.
    Sjelo lag jetzt auf dem Bauch, umgeben von Beamten, einer fesselte ihm die Hände. Andere standen bei Igor. Er lebte offenbar nicht mehr.
    Zwei Uniformierte rannten auf ihn zu. Sie riefen etwas, aber er verstand nicht. Der Regen zertrommelte alle Geräusche.
    Ein großer Mann folgte ihnen, langsamer und steif.
    Jetzt verstand er, was die Polizisten riefen. »Sind Sie verletzt?«
    Er schüttelte den Kopf, schloss die Augen. Kurz darauf spürte er, wie Jordans Leiche von ihm gehoben wurde. Jemand durchtrennte die Fesseln an seinen Füßen, seinen Händen.
    Als er aufsah, stand der steife Mann vor ihm. Regentropfen sprangen von seinem halbkahlen Kopf, er war vollkommen durchnässt.
    »Ich bin Lorenz Adamek von der Kripo Berlin.«
    Thomas nickte. Die strenge Stimme am Telefon.
    Adamek reichte ihm eine Hand. Er griff danach, ließ sich aus dem Wagen helfen. Jetzt waren Sirenen zu hören, Blaulichter blinkten. Die ersten Einsatzwagen fuhren auf das Parkdeck.
    Im Trubel ein bunter Regenschirm, darunter eine schmale Gestalt. Ein uniformierter Polizist führte sie auf ihn zu.
    »Ja«, sagte Adamek. »Sie ist hier.«
    Thomas nickte wieder.
    Jelena.

56
    SAMSTAG, 16. OKTOBER 2010
    ZAGREB/KROATIEN
    Der König war nicht zu sehen.
    So hell der Tag gewesen war, so finster war der Abend. Noch waren die Straßenlaternen nicht eingeschaltet. Tomislav ritt in der Dunkelheit.
    Sie trat vom Fenster zurück.
    Es war acht Uhr.
    Inzwischen hätten sie mit Petar Ćavar gesprochen und mit der Kollegin des Polizisten Adamek. Sie säßen in einem überhitzten schwäbischen Lokal. Später, im Hotel, wieder der freundliche Kampf um
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