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Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11

Titel: Der kalte Hauch der Nacht - Inpektor Rebus 11
Autoren: Ian Rankin
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andere überdeckender Duft. Wahrscheinlich hatte seine Frau damit die wund gelegenen Stellen seines Körpers eingerieben.
    Ures Lippen waren jetzt ganz nahe an Rebus' Ohr, berührten es sogar einmal. Dann Worte, die lauter waren als ein Flüstern, Worte, die für alle im Raum Anwesenden bestimmt waren.
    »Jämmerlicher Schwachsinn.«
    Dann keuchendes Gelächter, immer lauter, das wie Gift den Raum erfüllte. Ein Gelächter, in dem die Beschwörungen des Arztes, das unregelmäßige Stakkato des Monitors und das Gejammer der Ehefrau einfach untergingen. Ures Frau schlug dem Anwalt die Brille von der Nase, als sie sich verzweifelt auf ihren Mann stürzen wollte. Whyte bückte sich, um die Brille wieder aufzuheben, und Isla versuchte, über ihn hinwegzusteigen. Der Arzt sah besorgt auf den Monitor und bemühte sich, Archie Ure wieder in die Horizontale zu zwingen. Rebus saß reglos da. Das Gelächter galt ihm. Der Hassausbruch galt ihm. Die rot geäderten Augen, die fast aus ihren Höhlen zu springen schienen, starrten ihn an. Rebus blieb nur die Rolle des Zuschauers.
    Dann wich das Lachen einem grässlichen Erstickungsanfall, versank in gurgelndem weißem Schaum. Ures Gesicht lief tiefrot an, seine Brust sackte zusammen und erhob sich nicht mehr. Isla Ure fing wie wahnsinnig an zu kreischen.
    »Nicht schon wieder, lieber Gott. Bitte, nicht schon wieder.«
    Cameron Whyte hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet, die Brille auf der Nase. Seine Teetasse war umgestürzt, und das Getränk hatte auf dem blassrosa Teppich einen braunen Flecken hinterlassen. Der Arzt redete unentwegt, Siobhan eilte ihm zur Hilfe: Sie wusste genau, was zu tun war. Rebus wusste das natürlich auch, saß jedoch nur reglos da: Er war ja bloß Zuschauer, der das Geschehen vor sich wie auf einer Bühne betrachtete. Die Darbietung war Sache des Schauspielers.
    Der Doktor erteilte Anweisungen, stieg dann auf das Bett und brachte sich für die Herzmassage in Position. Siobhan machte sich für die Mund-zu-Mund-Beatmung bereit. Die Pyjama-Ja-cke stand weit offen. Der Arzt legte eine Hand auf die Brust des Patienten und stützte sich mit der anderen Faust darauf…
    »Eins, zwei, drei, vier…, eins, zwei, drei.« Siobhan hielt Ure die Nase zu und exhalierte Luft in seinen Mund. Dann drückte der Arzt mit ganzer Kraft immer wieder den Brustkorb des Patienten nach unten.
    »Sie brechen ihm ja die Rippen!«
    Isla Ure schluchzte, presste die Knöchel ihrer Hände gegen den Mund. Ein ums andere Mal umschloss Siobhan den Mund des sterbenden Mannes mit ihren Lippen. Versuchte ihm neues Leben einzuhauchen.
    »Los, machen Sie schon, Archie!«, brüllte der Arzt, als ob er dem Tod durch schiere Lautstärke Einhalt gebieten könnte. Rebus wusste: Wer sich den Tod wünscht, zu dem kommt er nur allzu bereitwillig. Keinen Schritt kann ein solcher Mensch mehr tun, ohne dass ein dunkler Schatten sich über seine Gedanken legt, jede Sekunden wartet er – der Tod – auf das letzte Willkommen. Ja, für den Tod sind Verzweiflung und Erschöpfung und Resignation die Vorboten seines eigenen Triumphes. Rebus spürte fast körperlich die Anwesenheit dieses unheimlichen Gesellen in dem Raum. Archie Ure hatte den Tod herbeigewünscht, ihn bereitwillig in sich aufgenommen, ihn mit einem irrwitzig grölenden Gelächter willkommen geheißen. Dieser Untergang war der Preis, den er für seinen Sieg zu zahlen hatte.
    Nicht mal verübeln konnte ihm Rebus das.
    »Los, Archie, machen Sie schon, verdammt noch mal!«
    »… drei, vier…, eins, zwei…«
    Das Gesicht des Anwalts war kreideweiß. An seiner Brille fehlte ein Bügel, der irgendwo zertreten herumlag. Isla Ure hatte den Mund am Ohr ihres Mannes und stammelte irgendwelche unverständlichen Worte.
    »Meinlieberlieber… Dudarfstnicht… weggehen… lassmichnichtallein…!«
    In dem allgemeinen Stimmengewirr und Lärm klang in Rebus' Ohren noch immer das Gelächter nach. Das letzte irre Lachen des Archie Ure. Draußen vor dem Fenster hing ein Rotkehlchen kopfunter an dem Vogelhäuschen und betrachtete die menschliche Pantomime in dem Raum. Das erste Rotkehlchen, das er bisher in diesem Winter gesehen hatte. Warum bekam man diese Vögel immer nur in den kalten Monaten zu Gesicht?
    Noch eine Frage, die er auf seine Liste setzen musste.
    Zwei, drei Minuten waren verstrichen. Der Doktor zeigte allmählich Ermüdungserscheinungen. Er tastete den Puls an der Halsschlagader, legte dann das Ohr auf den Brustkorb. Die Drähte bildeten ein
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