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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf
Autoren: Adam Frank
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Onkel abholen sollte, fieberte David entgegen. Mr. Grey war pünktlich, und sie rollten wieder über die Brücke über den Mill Pond, diesmal in nördlicher Richtung. Die Straße bog nach links ab und wich einem Gebäude und einem eingezäunten Areal aus.
    »Das ist das Kanonenarsenal«, erklärte Mr. Grey, »dort lagern vom 32-Pfünder bis zum Einpfünder alle Arten von Schiffsgeschützen und auch die Munition, aber kein Pulver. Wir sagen auch ›Kanonen-Kai‹, weil das Arsenal durch einen kleinen Kanal mit der See verbunden ist.«
    Sie passierten eine kleine Brücke, ein riesiges Tor stand offen.
    »Der Haupteingang«, erklärte Mr. Grey, »links das Lager für Maste und Sparren, rechts die Königliche Marineakademie, wo junge Herren vom Stande zu Fähnrichen ausgebildet werden sollen. Aber nur eine Handvoll Nichtsnutze verbummeln und vertrinken dort ihre Zeit. Im letzten Jahr hat man die Schulordnung verschärft. Aber ob es hilft? Seefahrt lernt man auf See, nicht auf der Schulbank!«
    Sie fuhren über einen weiten Platz und sahen vor sich einige kleinere und eine große, gut vierhundert Yard lange, überdachte Reeperbahn, in der die Reepschläger den Hanf spannen, die gesponnenen Garne zu Duchten drehten und aus diesen dicke und dünne Taue schlugen.
    »Und immer wird ein roter Faden hineingeflochten, damit des Königs Eigentum erkennbar ist«, schloß Mr. Grey seine Erklärung. »Und nun kommen wir zu meinem Reich, den Docks. Du hörst schon den Unterschied. Die Reepschläger spinnen die Garne und drehen die Duchten leise, aber die Zimmerleute hämmern, sägen und pochen, daß es nur so schallt.«
    Die Kutsche hielt, sie stiegen aus und betraten ein zweistöckiges Gebäude, in dessen Zimmern Zeichnungen hingen und Schiffsmodelle standen. Auch in Mr. Greys Büro stand ein zierliches Modell einer Zweiunddreißig-Kanonen-Fregatte.
    »Die wird gerade bei uns gebaut«, sagte Mr. Grey, »jedes Viertel Inch im Modell wird ein Fuß beim Schiff, das heißt, die Fregatte ist achtundvierzig mal so groß wie das Modell.«
    Ein jüngerer Mann trat ein und grüßte.
    »Ah, guten Tag!« sagte der Schiffsbaumeister, »das ist Mr. Bentley, einer meiner Assistenten. Und das ist der junge Herr David Winter, unser Besuch aus Hannover«, stellte er vor. »Mr. Bentley wird dich durch die Werft führen und aufpassen, daß dir keine Planke auf den Kopf fällt. Wenn der Rundgang beendet ist, meldet ihr euch wieder bei mir, und ich kann dir noch Fragen beantworten, falls ich Zeit habe.«
    Mr. Bentley war ein freundlicher, geduldiger Führer, der langsam sprach, damit der ›Hannoveraner‹ ihn auch verstehen konnte. Dies sei eine mittlere Werft, erklärte er, Chatham und Plymouth seien größer. 1770 habe ein furchtbares Feuer die Werft fast völlig zerstört. Dabei seien Planken, Rundhölzer, Taue und Segel für etwa fünfundzwanzig Kriegsschiffe verbrannt. Nein, man habe nie klären können, wie das Feuer entstanden sei. Wahrscheinlich habe ein Kalfaterer das Feuer unter einem Pechkessel nicht richtig gelöscht. Darum gäbe es jetzt überall zusätzlich kleine Löschteiche und Wassereimer.
    Inzwischen waren sie an einer Helling angelangt, wo die Zimmerleute wie Ameisen um eine Holzkonstruktion herumliefen, die nach Davids Meinung wie die Gräten eines auf dem Rücken liegenden Fisches aussah.
    »Da ist etwas dran«, gab Mr. Bentley zu. »Dann ist die Hauptgräte der Kiel, der aus verschiedenen Teilen fest mit hölzernen Bolzen verdübelt wird. Die nach oben gebogenen Gräten sind die Spanten, und der dort vorn aufragende große Balken ist der Vordersteven. Die wie eine zweiteilige Forke dort hinten aufragenden Balken halten später das breite Heck des Schiffes.«
    Während sie an den Drillern vorbeischritten, die die Löcher für die Bolzen bohrten, erklärte Mr. Bentley, wie quer zu den Spanten dann die Planken befestigt würden, wie im Innern des Rumpfes die Kniestücke Spanten und Deckhölzer verbinden würden.
    David war bei dem Hämmern und Sägen dankbar für die langsame, eindringliche Sprache seines Führers. Er sah das Skelett des Schiffes und ahnte, wieviel Planung, Arbeit und Material erforderlich waren, um ein großes Schiff zu bauen.
    »Wie können die Zimmerleute die Maße so einhalten, daß alles ineinanderpaßt, und wie kann man die Hölzer so formen, daß sie gebogen oder fast rechteckig aussehen?« Mr. Bentley erklärte ihm, daß man der Natur nachhelfe und den wachsenden Baum in bestimmte Formen presse. Das Holz,
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