Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Capt’n von blaue Partei!«
    Die kleine Gruppe machte sich wieder auf den Weg. Das ganze Lager vor den Toren des Forts war schon auf den Beinen, und die Männer steuerten zusammen durch das Gewimmel von Menschen hindurch. Das Spielfeld wurde eben abgemessen. Zwei Zelte waren als Tore einander gegenüber aufgestellt worden. Bei diesen Toren sammelten sich bereits die Spielmannschaften. Der lebhafte kleine Canadier führte seine Begleiter zu dem im Norden aufgestellten Zelt. Innerhalb einer Gruppe von indianischen Spielern, die sich dort zusammengefunden hatten und ihre Stöcke schon zur Hand hielten, war ein riesiger Neger zu erkennen. Mit lebhaften Gesten instruierte er seine indianische Mannschaft.
    »He! Bobby!« schrie der Canadier. »Bobby!«
    Der Neger schaute zu der Gruppe her. Tom ohne Hut und Schuhe riß die Augen weit auf. »Was seh ich! Das ist doch … das ist doch …«
    Bei Toms Ausruf wurde auf dem lebhaft und intelligent wirkenden Gesicht des Afrikaners für den Bruchteil einer Sekunde ein Mienenspiel sichtbar, als ob er sehr unliebsam überrascht, vielleicht sogar tief erschrocken sei. Aber das ging so schnell vorüber, daß die vier Rauhreiter, auch Tom selbst, nicht darauf aufmerksam geworden waren.
    Der Neger durchbrach schnell gefaßt den Ring der Umstehenden. Mit einem Hochsprung setzte er über einige noch hinderliche Gestalten hinweg, dann war er bei Tom angelangt, umschlang den Bärtigen mit seinen starken Armen und preßte ihn an die Brust. »Tom ohne Hut und ohne Schuhe! Oh, wahrhaftig! Was sehen meine glücklichen Augen! Tom ist da! Tom ohne Hut und ohne Schuhe! Tom ist gekommen mit Hut und mit Schuhen!«
    Dem Umarmten ging bei der stürmischen Begrüßung fast die Luft aus. »Tschapa Kraushaar!« gurgelte er. »Tschapa Kraushaar! Erdrück mich nicht! Wo kommst du denn her?! Bist du nicht mehr bei …«
    Der Neger küßte den Verblüfften und halb Erstickten wieder und wieder. »Tom, wir sehen uns wieder! Tom hat Hut! Tom hat Schuhe!«
    »Ja doch, ja doch!« Tom versuchte, aus der allzu stürmischen Umarmung herauszuschlüpfen. »Aber nun sag mir bloß …«
    »Tom ist da! Tom ist da!«
    »So nimm doch Vernunft an, Tschapa Kraushaar!« schrie Tom. »Du erstickst mich noch!«
    Der Neger gab Tom frei und betrachtete den alten Grenzer freundlich. »Tom ist da!« Tom setzte seinen Hut wieder zurecht, tat einen tiefen Atemzug und fragte: »Du bist’s also wirklich, Tschapa Kraushaar! Wie kommst du hierher? Ich dachte, du bist bei der Bärenbande?«
    Pitt fuhr auf. »Was hör ich? Bei den Bärenbanditen?«
    »Da haben wir uns kennengelernt«, erläuterte Tom seelenruhig. »Als ich einmal bei dieser berüchtigten Abteilung der Dakota-Titon-Oglala gefangen war!«
    »Und jetzt?« Pitt blieb argwöhnisch.
    »O Tom! O Tom!« rief der athletisch gebaute Neger mit dem freundlichen Gesicht immer wieder. »O Tom, o nein, ich nicht mehr Bärenbandit! Bobby nie mehr Bärenbandit sein! Nein, nein, nein!«
    »Warum denn nicht?« erkundigte sich Pitt, immer noch voller Mißtrauen.
    »Fremder weißer Mann mit kurzer Nase glaubt mir nicht? Aber Tom mir glauben! Was hat Tom gesehen in meinem Zelt, als er bei mir war? Sieben Weiber! Sieben Weiber und armen Bobby dazu! Bobby ist weggelaufen!«
    Die Rauhreiter fingen an zu lachen.
    »Es ist wahr«, bestätigte Tom. »Zu viele Witwen und Waisen haben sie bei der berüchtigten Bande. Es sind viele Männer umgekommen, im unaufhörlichen Kampf, auf der Jagd, und die hungrigen Mäuler in den Zelten blieben übrig. Als ich gefangen war, mußte ich auch so eine Witwe heiraten. Bin bald wieder ausgerissen! Und du bist deinen sieben Großmüttern, Tanten und Nichten entkommen, Kraushaar. Gratuliere! Du bist also kein schlauer Tschapa (=Biber) mehr, sondern unser Bobby geworden!«
    Die beiden fielen sich wieder an die Brust.
    »Vielleicht kommen wir heute noch mal zur Sache!« Pitt dachte an das Wettgeschäft und wurde ungeduldig. »Bobby, hör zu, du bist Capt’n beim Stockball? Bei der blauen Partei?«
    »Bin ich! Bin ich!«
    »Und wie steht’s? Siegt deine Mannschaft?«
    »Soll ich sie machen siegen?«
    »Was heißt das? Geht’s nicht ehrlich zu?«
    »Ehrlich, ehrlich, ganz wahrhaftig!«
    »Weißt du, wie die rote Partei spielt? Wer ist ihr Capt’n? Kennst du ihn?«
    »Steht da drüben! Gewaltiger Indsman. Ein Ponka!«
    Die Blicke richteten sich auf den Indianer, der in der Nähe des gegenüberliegenden Torzeltes stand. Er war groß, sehr schlank, in buntes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher